Theodor Buiting an Kaplan Stiesch, 27. November 1941

Berlin, den 27. Nov. 41

Lieber Herr Kaplan!

Für Ihre lieben Zeilen vom 10. Nov. Danke ich Ihnen von ganzen Herzen. Ja, die Freude ist immer sehr groß, wenn ein paar Zeilen von den Lieben aus der Heimat kommen. Heute sitze ich mal ganz allein auf der Stube. Die Kameraden sind zum größten Teil ausgegangen und die anderen haben Dienst. Im Rundfunk erklingen lustige Weisen, sie sorgen dafür, dass man mal für eine kurze Zeit die Sorgen und Nöte, das Soldantenleben vergisst. Mir geht es noch immer recht gut. Auch

gesundheitlich fühle ich mich einigermaßen wohl. Draussen wird es nun schon sehr ungemütlich und Dunkelheit und Nebel beherrschen die Erde. Wie lange wird es noch dauern, dann legt der Winter sein weißes Kleid auf die jetzt so friedlose Erde. Das Weihnachtsfest steht vor der Tür und noch immer tobt der große Krieg. Wie oft denke ich an die Kameraden draussen an der Front. Wir in der Heimat können wenigstens abends auf eine warmen Stube gehen und haben dann mal unsere Ruhe und Freizeit. Sie ist zwar oft nur kurz und draußen auf dem Kasernenhof herrscht jeden Tag der gleiche raue Soldatenton. Man gewöhnt sich schon völlig daran und nichts kann uns mehr erschüttern. Die Gedanken weilen jetzt wieder schon daheim bei den Lieben.

Auch für mich beginnt jetzt ein „Kampf“, nämlich der Kampf um den Weihnachtsurlaub. Ja, als Soldat denkt man nur an Urlaub, Essen, Geld und Vergnügungen. Sonntags gehe ich stets ins Theater. Mal sehe ich eine Oper, mal ein Schauspiel oder auch lustige Stücke und Operetten. Man lebt dann in einer ganz anderen Welt. – Am letzten Sonntag hörte ich Wagners „Parzifal“. War das ein großes Erlebnis. Man findet nicht die Worte um die innere Freude und Befriedigungen beschreiben zu können. Die Besetzung der Oper war sehr gut. Zwei Schauspieler aus Bayreuth wirkten mit. Ich nutze auch stets jede Stunde aus, um mir alles Schöne anzusehen. In dieser Hinsicht ist Berlin einmalig und ich werde

später wohl selten Gelegenheit haben, so etwas zu sehen.

Für heute grüße ich Sie herzlich.

Ihr Theo Buiting