Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 4. Dezember 1942
4.12.41
Hochwürden!
Nach meinem Urlaub Ihnen und den Kameraden einen frohen Gruß.
Es hat lange gedauert, bis ich Zeit fand Ihnen zu schreiben. Nach den herrlichen Tagen des Urlaubs muß man sich erst wieder mit dem Dienst abfinden, was einem sehr, sehr schwer fällt. Die Erlebnisse des Urlaubs stehen einem noch zu dicht vor Augen. Man hat zu nichts Lust und auch das Schreiben fällt einen schwer.
Nach ein paar Tagen hat man sich nun wieder eingelebt und da hieß es für uns packen. Die ganze Abteilung machte Stellungswechsel nach Leipzig. Da war es mit dem Schreiben ebenfalls wieder aus. Es gibt allerlei zu arbeiten, zu flicken etc.
Wir vom leichten Geschütz sind nun wieder in eine andere Stellung gekommen, in der wir nun ein ganz feines Leben führen.
Sie werden daher gewiß entschuldigen, daß ich erst jetzt schreibe.
Ich möchte Ihnen heute nur ein kleines, feines Erlebnis mitteilen, dass ich vor 2 Tagen hier auf dem Flugplatz hatte.
Wir liegen auf einem Flugplatz der Junkers-Werke. Die Stukka’s Ju 88 werden hier zusammengesetzt, ausgearbeitet und eingeflogen. Es gibt für uns hier allerlei zu sehen und streifen wir den ganzen Tag durch die Werke. Vor 2 Tagen sind wir draußen auf dem Flugfeld um uns die Maschinen fix und fertig anzusehen. Wir alle hatten den Wunsch einmal in einer Maschine innen alles genau erklärt zu bekommen. Leider ließ man uns aber nicht da hinein.
Wir sprachen dann lange Zeit mit einem Einflieger, also mit einem Piloten der die Maschinen zum 1x in die Luft bringt. Er erzählte uns von seinem Beruf und wir alle konnten uns ein Bild von der Gefährlichkeit seines Berufes machen.
Nach einiger Zeit mussten wir die Unterhaltung abbrechen, denn er musste jetzt in die Maschine. Bevor er jedoch in die Maschine stieg nahm er seine Fliegerkappe ab, bekreuzigte sich und stand ein paar Sekunden sicher im Gebet. Alle Kameraden, auch die Monteure sahen das, aber keiner lachte oder spottete darüber. Ich glaube alle waren von der Kraft dieses Mannes beeindruckt. Dieser Einflieger war ein ganzer Mann in seinem Beruf und auch gewiß in seinem Glauben. Er
hat sich Achtung verschafft vor seiner Umgebung. Eine solche Tat müsste eigentlich jeder von uns fertigbringen. Solche Kraft müsste von jedem von uns ausgehen. Aber wie steht es in der Wirklichkeit. Wie oft kneifen wir noch täglich draußen bei unseren Kameraden. Wir wollen Mut haben und sind doch so feige. Dieses Erlebnis stärkt einen dann noch mehr. Wenn man selbst einmal erlebt, dass draußen noch andere stehen, im gleichen Kampf.
Es war für mich eine Stärkung zu sehen, wie die Arbeit in der Schar weitergeht. Ich glaube so ging es jedem Kameraden. Jeder Brief in dem von der Arbeit an der Schar gesprochen ist, gibt uns neue Kraft. Wir interessieren uns hier vielleicht mehr als je über die Arbeit, denn wir alle wollen doch wissen, dass die Arbeit nicht umsonst war. Wenn alle Kerle eine solche Kraft hätten und solchen Mut, wie dieser Einflieger, dann stünde es niemals schlecht um den Glauben in unserem Vaterland.
Hochwürden! Solch ein kleines Erlebnis rüttelt einen wieder einmal wach. Es treibt einen an weiter an sich selbst zu arbeiten. Unser Dienst bringt einen sehr leicht davon ab und man kommt oft von selbst dazu ohne dass man es will die Arbeit einzustellen.