Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 19. Januar 1942

Holland, am 19. Januar 1941 [richtig: 1942]

+ Rudolf!

Lange läßt meine Antwort auf sich warten, vielleicht erreicht sie auch Dich schon über den Umweg im neuen Dienst. ich weiß nicht, ob Du mit solcher Freude daran gehst, wie ich im vergangenen Jahr. Nun ist ja für Dich alles viel schwerer, da das ganze Leben völlig neu und ungewohnt ist. Doch auch Du wirst spüren wie klein, wie armselig, wie auf unser ich verschlossen auch wir – und man darf vielleicht sogar sagen, sogar wir – sind. ich habe damals zu Beginn die Briefe des Heiligen Johannes gelesen und es schien mir wie eine Forderung in meinem neuen Dienst: „Liebet einander, Liebet die Brüder!“ –

Bis zum vergangenen Samstag hielt uns eine Quarantäne wegen Scharlachgefahr in der Kaserne zurück. Am Nachmittag konnten wir die Weihnachtsfreude, von der ich auch durch Hans berichtet

habe, vollenden. Zu drei Mann gingen wir zum Tisch des Herrn. Zum Heiligen Opfer kann uns nur ein glücklicher Zufall führen, denn eine neue Urlaubssperre hält uns hier am Standort fest.

Am Dienstag hatte ich großes Glück: Als erster aus seinem Bekanntenkreis durfte ich unseren Bonner Rendanten Beitz als deutschen Pfarrer von Amsterdam begrüßen. Er hat sich riesig gefreut und versprach uns seinen Besuch für diese Woche. Seit 14 Tagen ist auch endlich ein Wehrmacht-Standortpfarrer in A’dam. So langsam kommt auch hier der Betrief auf Touren. –

Das Fest hat uns dreien (theol.) die endgültige Überwindung eines gewissen geistigen Leerlaufs – den schon das Soldatenwort: “Hurra wir verblöden“, wenn auch vielleicht unbewußt ausspricht – gebracht. Von daheim habe ich mir mein griechisches N.T. schicken lassen und nun haben wir eifrig Schriftlesung, wobei wir uns im Gespräch gegenseitig

austauschen und Anregungen geben können.

Dazu gehen wir mit guten Vorsätzen wenigstens an die Wiederholung der Geschichte, bzw. der Kirchengeschichte. Man hat mittlerweile doch unverschämt viel vergessen. –

Dazu habe ich in den letzten Wochen unverschämt viel gelesen. Ein recht feines Buch von Josef Schmitz, das Ihr für Eure Arbeit vielleicht gut verwerten könntet: „Der Mensch, Gottes Meisterwerk“.

Wie klappt die Arbeit denn. Von Eurer Weihnacht habe ich noch nichts gehört? Haben Karlegon und Josef endgültig Schluß gemacht? Es wäre recht schade, denn die Kerle hätten manches leisten können. Habe von beiden lange nichts mehr gehört.

Rudi Conin hat mir zur Weihnacht geschrieben, von allen anderen, besonders von Werner Niederwipper, habe ich nichts mehr gehört.

Ich freue mich, bald wieder von Eurem Leben zu hören.

Frohgruß und Heil

     Jochen