Kaplan Stiesch an Theodor Buiting , 26. Januar 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
26. Jan 1942
Lieber Theo!
Das ist ja schön, dasz Du Dich so gut erholt hattest und dann einen solch herzlichen Empfang wieder beim Herrn Oberst hattest. Darum wird Dich wohl mancher beneiden. Was für Veränderungen mag es denn nur geben? Du wirst doch nicht ins Feld ausrücken müssen mit Deinem Ischias. Dann wird das ja wieder schlimmer.
Wie Du siehst, stecke ich immer noch in Zivilkleidern. Ich freue mich, dasz ich so manches Schöne habe noch miterleben dürfen. So Weihnachten, das Fest der hl Dreikönige, die hier Pfarr und Stadtpatrone sind. Der Kölner Domprediger Pater Dionysius war hier. Er hat früher ja öfter im Radio gesprochen. Und augenblicklich liegt hier tiefer Schnee. Die ältesten Leute können sich nicht erinnern, dasz in der Stadt Köln der Schnee schon einmal so hoch gelegen hat. Und kalt ist es ausserdem auch ganz anständig. Man ist froh wenn man im Zimmer ist. Was mag das ein Tauwetter geben! Und vor meinem Fenster zanken sich die Spatzen, denen ich – ohne Brotkarte – einige Brocken Brot gestreut habe.
Was siehst Du denn alles Schönes im Theater? Hast Du Faust Erster Teil gesehen? Das lohnt sich. Und die Mozartopern, die augenblicklich überall gespielt werden: Figaros Hochzeit, die Zauberflöte, Don Giovanni, Cosi fan tutti, Die Entführung aus dem Serail und Idomeneo. Ich bin immer wieder ganz ergriffen von der Natürlichkeit und Süsse seiner Themen in der Musik. Sie können einen wieder in seelisches Gleichgewicht bringen, wenn man schwere Stunden durchgemacht hat. Ich habe das schon selbst an mir erfahren. Und dabei eine geistige Welt, die vom katholischen Ethos des Barock noch ganz durchdrungen ist. Darüber habe ich einen
schönen Aufsatz gelesen in der Zeitschrift, die früher Dr Landmesser mit F X Münch herausgegeben hat. Und erinnerst Du Dich noch der Mozartmesse, die in Kaiserswerth der Chor immer gesungen hat. Das war die gleiche Welt. Wenn man einmal in sie eingedrungen ist, lässt sie einen leicht nicht mehr los.
Im übrigen habe ich einige schöne Stunden bei Freunden auch schon am Schallplattenapparat verbracht. Hier in Köln habe ich einen Freund, der hat mehrere grosze Werke auf Platten. Das ist unter Umständen auch sehr gemütlich. Man sitzt dann so im trauten Heim und hört ungestört die groszen Werke der Musik. Hat Dein Oberst auch so ein Grammophon? Es kommt nur dabei sehr auf die Platten an. Manche haben nur Lili Marlen und ähnliche Schlager. Da höre ich lieber gar nichts.
Sonst ist hier alles beim alten! Wenn ich mal etwas schönes erlebt habe, schreibe ich es Dir. Sehr viel Freude habe ich hier mit den vielen Meszdienern und den Jungen und Jungmännern der Pfarre. Mit denen habe ich schon manche Frage durchgesprochen zb die Frage der Euthanasie nach dem Film Ich klage an, wir sprachen von Damian de Veuster, von St Ignatius und dem Jesuitenorden, von Sebastian und Georg, von Schlageter, von Major Mölders von Künstlern wie Michelangelo usw. Auf viele Ideen kommt man nur dadurch, weil sie einem in den Jungmännern lebendig begegnen. So was hat in Kaiserswerth gefehlt. Es liegt viel daran ob man junge Führer hat, die so etwas in Schwung bringen. Allein trifft man nicht mehr den rechten Ton, der die Jungen unmittelbar anspricht.
Also in alter Treue