Kaplan Stiesch an Josef Kreuser, 26. Januar 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

26. Januar 1942

Josef!

Herzlichen Dank für Deinen ersten Soldatenbrief! Wie Du siehst, stecke ich noch in zivilen Kleidern. Ich freue mich insofern, als ich so noch manches habe ordnen können, was sonst hätte liegen bleiben müssen. Pater Karl Breuning schrieb mir, dasz aus Valkenburg am 4 Februar wieder 17 Patres als Sanitäter eingezogen werden. Das könnte ja für mich auch der Termin sein, da der grosze Termin am 15 I schon vorbei ist. Nun ja, man musz alles kommen lassen. – Gestern Nachmittag war Hans Werres hier und hat stundenlang an Briefen für Soldaten gearbeitet. Bei der Gelegenheit habe ich auch seine Soldatenbriefe gelesen und mich über all die schönen Sachen gefreut. Es ist schon wahr, was Kaplan Wisdorf immer betont, dasz in den Briefen der besten unserer Jungen sich ein ganz neuer starker Glaube und Geist offenbart.

Als übrigens Dein Brief ankam, glaubte ich der Schrift nach zu urteilen, er sei vom Ludwig. Und Du bist bei den Kraftfahrern? Man sollte meinen, dasz das ein ganz angenehmer Posten wäre. Man kann fahren, wenn andre zu Fusz gehen müssen. Man sitzt in einem windgeschützten Abteil. Das Fahren macht Spasz. Man sieht allerlei oder ist es doch nicht so verlockend. Der Herr Lohr, der im städtischen Orchester mitspielt, sagte mir einmal das denkwürdige Wort: „Das beste Handwerk taugt nicht, wenn es in Beruf ausartet.“ Er sagte das, weil ich das einen schönen Beruf fand, so wie er Berufsmusiker sein. Er sagte, nach Feierabend wolle er nichts mehr von der Geige wissen. Nun ist das auch nicht ganz wahr. Als ich ihn kürzlich besuchte, hat er mir eine ganze Menge vorgespielt. Er hätte gern gehabt, dasz ich ihn begleitet

hätte, das kann ich aber nicht, so prima vista irgendetwas ordentlich herunterspielen. Und solche Musiker haben ein ausgezeichnetes Taktgefühl durch das dauernde Mitspielen im großen Orchester. Er erzählte, der Eugen Papst spränge einem ins Gesicht wenn man die geringste Sünde gegen den Takt begehe.

Die Untergruppe der Jungen führt jetzt der Alfons Geurtz, der jüngere Bruder vom Willi. Ich glaube, dasz er seine Sache gut machen wird. Er hat die Fähigkeit zu reden und Eifer und er setzt sich wohl auch durch. Für nächsten Sonntag hat er mit seinen Jungen einen Besuch in Severin vorbereitet. Er hatte selbst die Idee, die den Jungen sicher gut gefallen wird. Severin ist ja sehr interessant.

In Koblenz wohnen Verwandte meines Schwagers: Familie Peter Graf, Laubach 26. Es ist zwar ewig lange her, dasz ich diese Familie mal besucht habe etwa 1927, aber ich glaube doch, dasz sie sich freuen, wenn Du mal an einem freien Nachmittag da hereinschneist und einen Grusz von mir mitbringst. Soviel ich mich erinnere lag das Haus sehr weit aus der Stadt heraus an der Chaussee und an der Eisenbahn nach Mainz. Man hörte nachts immer die Züge vorbeifahren. Es war Pfingsten. Als wir nach Haus fuhren waren die Züge unvorstellbar voll. Eine jecke vornehme Dame seufzte, die Leute am Fenster verdürben ihr die ganze Aussicht. Mit den Leuten war meine Schwester gemeint, die schlagfertig antwortete, hier im Abteil sässen Leute, die hätten keine Einsicht, wir haben uns köstlich amüsiert.

Nun wünsche ich Dir alles Gute. Entschuldige, dasz ich Dir mit der Maschine schreiben werde, es geht schneller und ist besser zu lesen. Ich habe leider nicht eine so gute Handschrift wie die Gebrüder Kreuser.

In Treue Dein