Kaplan Stiesch an Konrad Friesenhahn, 10. Februar 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
10. Februar 1942
Lieber Konrad!
Wie Du siehst, stecke ich noch immer in zivielen Kleidern und staune selbst darüber am meisten. Die Kölner Kapläne, die mit mir zusammen Bescheid bekamen, sich bereit zu halten, sind alle noch da. Es scheint, dasz [der] im Augenblick hier der Bedarf an Sanitätern noch gedeckt ist. Im übrigen sind nämlich am 15 Januar und Anfang Februar sehr viele Einziehungen gewesen. Nun ja, es hat alles seine zwei Seiten, und ich freue mich, daszu ich so manches vollenden kann, was sonst hätte liegen bleiben müssen.
Übermorgen wird meine Schwester Lenchen mit einem Teil der Eschlinge hier auftauchen. Ich bin mal gespannt. Lenchen verspottet mich schon, dasz ich noch immer nicht weg bin. Sie sagt das sei so ähnlich, wie damals bei ihr als der Elmar geboren werden sollte, und später eintraf, als erst allgemein erwartet wurde.
Voringen Sonntag war ich in der Herz Jesukirche am Zülpicherplatz. Dort wurde eine messe in d moll von Anton Bruckner aufgeführt. Ich war davon sehr erbaut und ergriffen. Im allgemeinen kann ich mich für die symphonischen Riesenschlangen – so nennt Brahms sie – von Bruckner nicht begeistern. Aber in den Kirchenwerken spürt man sofort die Echtheit und Natürlichkeit seines religiösen Empfindens. Und dann ist man ganz weg. Und ein Tantum ergo von Bruckner, wie die alle 5 so wunderbar einfach und schlicht und doch kann man sich dem Zauber der Schöpfungen nicht entziehen.
Letzten Sonntag kam ganz überraschend einer der jungen Männer der Pfarre von der Ostfront nach Hause. Er hat eine äuszerlich kleine Verletzung am Hinterkopf mit einem winzigen Splitterchen
verursacht. Er kann seitdem nachts fast nichts mehr erkennen. Deshalb musz er nach Aachen zur Untersuchung und ich wünsche ihm, dasz er jetzt im Westen bleiben kann. Er hat ähnlich viel schon durchmachen müssen wie auch Du. Am schlimmsten war es ihm, dasz etwa 100 mtr von ihm entfernt sein älterer Bruder gefallen ist.
- Mit meiner Mama wollte ich kürzlich in Mozarts Oper Cosi fan Tutte gehen. Leider war grade eine Programmänderung, wohl wegen Erkrankung und es wurde die Boheme von Puccini gespielt. Wir waren tüchtig enttäuscht. Ich habe für die Wiener Klassiker eine besondere Vorliebe. Und der dove Puccini kann mich dafür nicht entschädigen (dh dov gemessen an Mozart nicht an mir, dagegen ist Pucccini immer noch ein Genie und ich ein Waisenknabe).
Deine Mama schreibt schon mal kleine Proben aus Deinen letzten Briefen, da stehen einem ja die Haare zu Berge. Hoffentlich findet das bald eine glücklichere Wendung.
Hier ist Schnee, so wie er seit Jahren nicht gewesen ist. Und der Winter dauert, als ob auch wir einen kleinen Geschmack von Euren russischen Zuständen bekommen sollten. Mit den Jungen mache ich dauernd Schneeballschlachten. Das gibt immer viel Spasz. Schade das man diese Kampfmethode nicht auch in den internationalen Kräfteproben anwenden kann. Da würde sich noch mancher freiweillig melden.
Sobald über mein Militärverhältnis etwas genaueres heraus ist bekommst Du Bescheid. Bis dahin wünsche ich Dir in anticipierter Kameradschaft schon alles Gute in steter Treue Dein