Kaplan Stiesch an „Willi“, 13. Februar 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

13 Februar 1942

Lieber Willi!

Sei für Deinen langen Brief recht herzlich bedankt. Ich habe ihn in einer Gruppe bereits vorgelesen und er wird wohl noch häufig gelesen werden. Auch Dein voriger Brief von der Räumung der Stadt mit den Zeitzündern ist viel vorgelesen worden so bei den Weihnachts-feiern für die Meszdiener, die Kinder und die Mütter. Dein erzählender berichtender Stil ist zum Vorlesen besonders gut geeignet. Und so war immer und überall das Interesse lebendig und echt. Auch dieser Brief hatte eine Laufzeit von fast einem Monat. Hier mehren sich auch die Nachrichten von solchen, die mit Erfrierungen zu tun haben, so zB der Hubert Zingsheim, und der ältere Bruder vom Karl Egon Klein. Es scheint aber bei diesen beiden noch einigermassen glücklich verlaufen zu sein. Hans Kreuser, der in Afrika war, wird bald in Urlaub kommen. Er hatte die Ruhr. Und Ludwig Kreuser, der auch ganz vorne im Osten war, war dieser Tage hier. Er hatte einen leichten Streifschuss am Kopf, der wohl ungefähr-lich war aber offenbar das Sehnervenzentrum verwundet hat. Er kann bei Nacht nicht mehr gut sehen. Deshalb muszte er zur Untersuchung nach Aachen und wir hoffen, dasz er jetzt hier im Rheinland bleiben kann.

Und einer nach dem andern wandert weg: Josef Kreuser zur Flak nach Koblenz, der Ernst Jakobs zum RAD, der Gerhard Erren zum Militär. Der Willi Rosenbaum ist auch im Osten, Karl Joseph Weyers zur Ausbildung bei den Sanitätsoffizieren in Schlesien, Otto Mundorf wird Bordfunker, Franz Ley im Osten, Rudi Bonin in Dresden bei der Flak. Du siehst, der Stamm der Gruppe ist so langsam in alle Winde verstreut und ich freue mich auf den Tag, wo wir wieder einmal zusammen sein können und ich glaube, dasz wir dann noch stärker zusammen gehö-

ren werden, als das früher gewesen ist. Anfang Dezember bekam ich Bescheid, dasz ich wohl auch bald Sanitäter würde. Bis heute ist noch nichts gekommen und es kann demnach noch längern dauern.

Die Meszdiener machen mir augenblicklich viel Freude. Sie sind zuverlässig und eifrig. Es ist ja für so kleine Kerlchen manchmal allerhand, so früh raus müssen bei dieser Kälte und Dunkelheit durch den Schnee. Es fehlten aber sehr selten welche.

Weniger erfreulich steht es mit den Jungmännern. Es sind oft erschreckend wenige da und auch die Haltung lässt zu wünschen übrig. Nur die jüngste Gruppe die macht sich jetzt seit einigen Wochen. Der Alfons Geurtz hat sie übernommen, der jüngere Bruder vom Willi Geurtz. Und er hat scheint es das angeborene Führertalent. Und er kommt auf gute Ideen. Mit 13 Jungen war er die Severinskirche besichtigen. Selbst arrangiert und durchgeführt. Und jetzt will er auch basteln, Laubsägearbeiten. Schwierig ist nur die Raumfrage.

Im übrigen wird alles rar, man bekommt schwer Kouverts um zu schreiben. So musz man manchmal die Kouverts herumdrehen und dann sie wiederbenutzen. Und die Buchhändler betrachten jeden Kunden als ihren persönlichen Feind. Man ist überhaupt arm dran, wenn man Geld hat und etwas kaufen will. Jeder Verkäufer sieht einen gehässig an, als ob man etwas stehlen wolle. Nun ja, es wird ja auch noch mal besser werden. Hoffentlich dauert es nicht zu lange, bis wir etwas normalere Zustände haben. Die Japaner gehen ja wie die reinen Teufels dran. Vielleicht bringt das eine Entscheidung. Eines gute hat der Winter hier für uns. Wir haben fast nie mehr Alarm gehabt. Es war ja auch ungemütlich, was wir im vorigen Sommer in der Beziehung erlebt haben.

Nun wünsche ich Dir alles beste und gute und verspreche Dir, dasz wir Deiner im Gebete stets besonders gedenken.

In steter Treue Dein