Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 5. März 1942
Holland, am 5.März 1942
Lieber Rudolf!
Erst heute komme ich dazu, Dir auf Deinen Brief vom 14. v. M. zu antworten. Hab recht herzlichen Dank dafür.
Wir haben unser neues Quartier bezogen, und ich fühle mich recht wohl hier. Zu 30 Mann haben wir ein kleines Häuschen. Seit 13 Monaten Leben auf Rekrutenstuben endlich einmal Ruhe. Zu vieren von den Ausbildern haben wir eine Stube, die ich ganz nach unserer Art hergerichtet habe: Über meinem Bett die Klampfe und der Reiter von Bamberg, an den Wänden Bilder von Bergen und Seen, von Land unserer Sehnsucht. Auch kommen wir recht gut miteinander aus und leben wie die Fürsten: Hier draußen ziemlich auf dem platten Land, kann man noch fast alles bekommen. Jeden Abend gibt’s Mich, Eier und Bratkartoffeln, die wir uns zurechtmachen. „Landsknechtsleben lustig Leben….“
Deine Adresse von Apeldoorn werde ich übrigens gut gebrauchen können. Vielleicht kannst Du mich aber vorher irgendwie dort empfehlen, man sieht deutsche Soldaten nicht allzu gerne. –
Jupp Kann schrieb mir, daß alles wieder in Ordnung geht. Fein, daß ich so wieder einmal ein wenig zupacken konnte. Im Augenblick geht das Gerücht einer Urlaubssperre. Hoffentlich….. Arbeit werdet Ihr während der Tage wohl genug für mich haben.
Jupp schrieb auch von den kommenden Runden über die christl. Kunst. Man könnte sehr viel daraus machen. Wenn der Brief Dich erreicht, ist die erste gestiegen: Ich bin gespannt auf einen Bericht von Euch.
Auch von Alfons Arbeit habe ich noch gehört. treibt er im einzelnen mit den Jungen? Wichtigstes Ziel bei den jüngeren Kerlen: Lebensgestaltung, Formung in allen Bereichen des Lebens. Und immer wieder Leben nicht Lehre. Wir draußen spüren es so oft, wie die Lehre abfällt, wenn das Leben nicht dahintersteht, an den Kameraden
um uns, an uns selbst. Wer wird die neueGruppe in die Hand nehmen. Ist bei den Meßdienern gut dafür vorgebaut. Von Alois Toxacher habe ich auch noch einmal einen Brief bekommen und ihm heute darauf geantwortet.
Hoffentlich nimmt die Arbeit jetzt neuen Anlauf, eigentlich hätten ja die Wintermonate die Zeit der Arbeit sein müssen. Sonst ist von daheim sicherlich wenig zu berichten.
Am Abend finde ich jetzt doch ab und zu eine Stunde Zeit zu besinnlicher Lesung, so habe ich in den letzten Tagen „Von den zwei Türmen“ von der Coudenhove gelesen. Sie bringt recht feine Gedanken zum Coelibat und seinem Sinn in unserer Zeit. Überhaupt bin ich auf einer förmlichen Jagd nach ordentlichen Büchern. Kannst Du Dich dort in Köln ab und zu auch einmal für mich umsehen? Von Pfr. Belz in Amsterdam haben wir doch schon allerlei bekommen, nur schade, daß er so weit weg wohnt von unserem neuen Standort. Samstag- Sonntagurlaub ist ziemlich rar geworden! –
Und nun noch etwas, angeregt durch ein vielgebrauchtes Wort, das auch Du im Brief benützt „Wochenendlager“. Vermögen wir heute eigentlich noch einen großen erzieherischen Einfluß vom Beichtstuhl aus auf die Menschen der Kirche außuüben? Ist das Sakrament der Buße nicht an den Rand gedrängt? Ich selbst habe zu der Frage nach der Häufigkeit der Beichte und allem, was damit zusammenhängt, noch keine rechte Stellung gefunden. Jedenfalls glaube ich, daß auch hier noch manche Änderung und Belebung nottut. Doch nun genug für heute.
Dir und allen Jungen daheim
Gruß in XPO
Jochen