Kaplan Stiesch an Josef Kreuser, 11. März 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
11 März 1942
Lieber Josef!
Nun ist schon wieder über eine Woche seit Deinem Urlaub vorbei und man staunt nur, wie die Zeit verfliegt. Inzwischen wird hier wieder für nächtliche Abwechselungen in Form von Alarmen gesorgt. Wenn es nicht so furchtbar ernst wäre bei all den Opfern, könnte man sich noch mit Galgenhumor drüberweghelfen.
Vor einigen Tagen war Herr Engelskirchen abends hier und Hans Werres und noch eine Nichte von mir aus Düsseldorf. Herr E. spielte und sang aus der Schöpfung von Haydn. Es war das eine schöne Stunde. Sogar meine Mutter, die sich sonst wenig für musikalische Dinge interessiert, hörte aufmerksam zu.
Und dann hat ein Mitschüler von Hans Werres einen sehr feinen Abend der Übersicht über die christliche Kunst gehalten. Heute abend wird diese Arbeit mit einem Bildband fortgesetzt. Ich bin mal gespannt, wie die Beteiligung sein wird. Vorige Woche waren 12 Mann da. Eine Reihe aus der oberen Gruppe ist jetzt zum RAD ausgerückt. Walter Vosen und Josef Hillen ins Siegtal, ferner Toni Ibald, wohin weisz ich nicht mehr und Edmund Zingheim in die Nähe von Spandau bei Berlin. So ändert sich das Gesicht der Gruppe ständig.
Was musz das schön sein, wenn Ihr mal alle wieder daheim seid und wir uns alle wiedersehen. Es ist ja schon so, dasz die Brüder einer Familie sich jetzt jahrelang nicht mehr wiedersehen wenigstens nicht vollzählig, und mal erst in der gröszeren Zahl der Pfarrfamilie!
Dein Bruder Ludwig wollte noch gern die Rachmanowabücher lesen. So viel ich weisz, hat er sie vom Pfarrer geliehen und ich vermute, dasz er sie noch ausbekommen hat. Bin mal gespannt, ob sie ihn auch so leidenschaftlich interessiert haben, wie sie mich damals interessierten.
Der Geschmack ist ja sehr verschieden. Ich musz immer wieder feststellen, dasz manchmal das was den einen so ganz fesselt, den andern völlig kalt lässt und umgekehrt.
Und wie geht es Dir? Bekommst Du allmählich mehr Ausgang als anfangs? Hoffentlich kannst Du bald mal wieder einen Abstecher nach Köln unternehmen! Dieser Tage hörte ich, dasz Herr Meurer noch mal für einige Stunden hier gewesen sei, um sich nach Afrika zu verabschieden. Und der Kaplan Willi Küppers vom Akazienweg ist seit Sonntag aus Afrika hier in Urlaub. Er ist Dolmetsch, Sonderführer im Leutnantsrang, allerdings widerruflich. Zur Zeit ist er noch in besonderer Mission in Berlin. Bin mal gespannt was er alles erzählen wird, wenn er mal zu den Jungen kommt. In 14 Tagen kommt Kaplan Wisdorf zu uns. Du kennst ihn doch sicher noch; - Sonntag war in Kapitol das Überlinger Münsterspiel in der Krypta. Die Aufführung muss sehr gut gewesen sein. Ich habe bisher nur uneingeschränktes Lob gehört. Ist allerdings auch ein dankbares Stück, das ich vor vielen Jahren mal in Düsseldorf gesehen habe. Augenblicklich übte ich an Mozarts Sonate in A dur, der türkischen. Seit ich sie vor einigen Wochen neu gehört habe, lässt sie mich nicht mehr los. Sind einige knifflige Stellen drin.
Wenn Frieden ist, müssen wir noch so vieles an Schönem in der Musik gemeinsam uns erringen! Hoffentlich geht alles gut. Nun wünsche ich Dir alles Gute! Schreib gelegentlich mal eine Postkarte!
Herzlichen Grusz Dein