Kaplan Stiesch an Josef Spickmann, 19. März 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
19 März 1942
Lieber Herr Spickmann!
Zu Ihrem Namenstag Ihnen einen herzlichen Glückwunsch – und zu Ihrer Trauung! Ich war sprachlos, als ich es kürzlich hörte. Also doch. Was lange währt, wird endlich gut. Nur schade, dasz so trübe Zeiten sind und auf jeden festlichen Glanz ihren Schleier legen.
Und nun sind Sie schon über ein Jahr im feldgrauen Rock! Ist es nicht einmal möglich, dasz Sie in Köln einmal die Fahrt unterbrechen und mal hier aussteigen. Ich glaube, Sie würden es nicht bereuen. Hier in Dreikönigen steht eine schöne neue Stahlhuth Orgel und in Mauritius ist eine der gröszten Kölner Orgeln von Seiffert mit 73 Registern. Der derzeitige Organist von Mauritius wohnt bei uns in der Pfarre, ein Musikschüler von 18 Jahren, der grade auf der Rheinischen Musikschule sein Organistenexamen bestanden hat.
Also Sie sind herzlich eingeladen, all das einmal zu sehen. Wer weisz, ob nicht noch eines Tages eine englische Bombe diese ganze Herrlichkeit in Trümmer legt.
Letzten Mittwoch war ich mit meinem jetzigen Pfarrer und dem Maler Profesor Dieckmann in Kaiserswerth. Dort wird bei Derichs ein Mosaikbild für einen Dreikönigenaltar in unserer Kir-che hergestellt. Es ist ein zwiespältiges Gefühl, wenn man in das alte Pfarrheim hineinkommt, in dem wir doch manche schöne Stunde verbracht
haben, sieht. Manches ist ja wundervoll geworden, so der Aufgang mit dem Eingang. Vornehm und geschma[c]kvoll. Und in dem Privatzimmer steht ein Blüthnerflügel. Das Haus schreit offenbar nach einem Flügel, seitdem der Ibach von früher nicht mehr da ist.
Anbei die Todesanzeige von Msgr Schwalge, die Sie vielleicht nicht gesehen haben. Ich meine mich zu erinnern, dasz Sie früher öfter von ihm gesprochen hätten.
Der Organist hier ist auch eingezogen und schon seit einigen Tagen auf marsch zum Süden, erst wohl nach Griechenland, später wohl nach Afrika. Und ich bin mal gespannt, ob ich auch noch dran komme. Anfang Dezember wurden wir Kapläne bestellt und uns gesagt, wir müss-ten nach Weihnachten mit der Einziehung rechnen. Bis jetzt ist aber noch immer nichts ge-kommen.
Kürzlich hat Elly Ney hier in Köln gespielt Mozart A dur Sonate und Phantasie und Sonate und von Beethoven die Es dur Sonate op 31 und die Wandererphantasie. Beethoven liegt ihr wohl immer noch am besten. Die Wandererphantasie habe ich am vergangenen Sonntag von Schmidt Lindner am Radio gehört und ich musz sagen, dasz mir diese klare Auffassung besser gefällt als die romantische von Elly Ney.
Aber ich staune doch immer wieder, wie solche groszen Spieler auch die trockensten Partien zu beleben wissen oder besser, dasz dort verborgen schlummernde Leben sichtbar zu ma-chen verstehen.
Nun seien Sie herzlich gegrüszt und lassen Sie mal etwas von sich hören und noch besser tauchen Sie einmal auf.
Stets Ihr