Rundbrief von Kaplan Stiesch, 26. März 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

26. März 1942

Liebe Arbeitsmänner!

Ihr gestattet wohl, dasz ich Euch vieren einen gemeinsamen Grusz schicke. Es ist ja noch nicht so viel Neues in den wenigen Wochen passiert, dasz individuelle Briefe erforderte.

Mit den Jungen haben wir grade zwei sehr schöne Abende erlebt. Einen Abend mit Kaplan Willi Küppers vom Akazienweg, der in Afrika Dometsch ist und aus diesem seinen Erlebnis erzählte, zB von der unvorstellbaren Hitze dort, von den Tieren die einen quälen, wie die Wüstenflöhe, die Skorpione, von den unabsehbaren Weiten, so dasz der Begriff der Front einen ganz andern Inhalt bekommt, als wir ihn hier in Europa kennen. Von den Arabern dort, die eine recht unsympathische Rasse sind, verschlagen und bestechlich, schlimmer als hier Zigeuner. Wir hörten wohl ein-einhalb Stunden zu und es hätte ruhig noch viel länger dauern können. Und Gestern morgen zelebrierte er in der Beichtkapelle eine Gemeinschaftsmesse für die Jungen, die sehr gut besucht war. Ein schönes Bild, die Beichtkapelle ganz mit Jugend gefüllt.

Gestern war ich bei Karl Heinz Hodes. Er kommt am 10 April auch zum RAD nach Lothringen. Er hatte schon gehofft zu einer Musikabteilung zu kommen, wie es erst vorgesehen war. Nun ist daraus anscheinend doch nichts geworden.

Vor einer Woche etwa hatten wir einen tüchtigen Fliegerangriff der in Köln manchen Schaden angerichtet hat und viele Todesopfer gefordert hat. Hier in Bickendorf ist Gott sei Dank nichts passiert. Aber wohl zB in Ehrenfeld. Am Simarplatz neben der Petruskirche sind zwei Häuser ganz zerstört. Ein grausiges Bild. Und wie bald kann es hier auch an einer Ecke so aussehen. Und dabei der schönste Sonnenschein wie im tiefsten Frieden.

Vorige Woche war auch Kaplan Küpper aus Barmen mal zu Besuch hier, Und jetzt stecke ich in der Arbeit um die Kartage vorzubereiten und die Erstkommunionfeier am Ostersonntag. Die Glocken sollen ja leider auch noch in dieser Woche abgeliefert werden, dh die beiden gröszeren, die kleine soll uns vorläufig noch bleiben. Da wird ja auch manchem das Herz bluten, der das Kommen der Glocken erlebt hat, und jetzt schon wieder das Scheiden mitmachen musz.

Und wie steht es denn mit dem ersten Urlaub? Bin ja mal gespannt Euch in schneidiger Uniform wiederzusehen.

Euch allen herzliche Grüsze!

Wenn Ihr eine neue Adresse bekommt, gebt bitte eine kurze Mitteilung. Über einen Grusz würden wir uns alle freuen.