Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 15. April 1942

15.4.42.

Hochwürden!

Ihnen und allen Kameraden nach langem Schweigen einen frohen Gruß. Ihnen dann noch nachträglich meine besten Wünsche zu Ihrem Namenstag. Sie müssen schon entschuldigen, dass Sie solange nichts mehr von mir hörten, obwohl ich einen trifftigen Grund nicht habe. Was mich immer wieder vom Schreiben abhielt, weiß ich nicht mehr, doch war es wohl größtenteils Schreibfaulheit und Zeitmangel. Der außergewöhnlich starke, strenge Winter hat uns sehr zu zu schaffen gemacht, denn sehr oft waren wir bei der Reichsbahn oder beim Straßenbauamt eingesetzt.

Dieser Winter, der strengste wohl seit Jahren, liegt nun hinter uns. Der Frühling hat in uns und in der Natur wieder neues Leben geweckt. Das Leben ist wieder in

allem erwacht. In der Natur begintn wieder alles mit Grünen. Der Tod ist besiegt, so wie in uns durch das Osterfest der Tod besiegt wurde. Ostern war für uns bisher gleich wo wir es erlebten ein Erlebnis. Gleich ob es auf Fahrt oder daheim war. Beim Militär wurde das nun anders, denn jetzt waren wir doch unserer Freiheit beraupt [beraubt]. In diesem Jahr war mir dennoch Ostern ein Erlebnis. Es war nicht einer der beiden Ostertage, der mir unvergesslich bleibt, denn an beiden Feiertagen mussten wir in der Stellung bleiben. Nein, in diesem Jahr war es für mich der Karfreitag. Morgens hatte ich Gelegenheit die Liturgie in einer feinen Gemeinschaft, die mir durch Herrn Kapl. Klein bekannt wurde, zu feiern. Nachmittags war es noch die Passion, die mich von allen passionen, die ich bisher hörte, am meisten ergriff. Selbst die Passion, die ich damals im Dom erlebte, war nicht so fein. Mit der Thomaskirche war schon ein feiner, äußerer Rahmen gegeben. Die Kräfte u.a. der Thomanerchor waren auch tadellos. Es mag sein, dass das Ganze

heute, da wir ja draußen im ewigen Einerlei des Dienstes sehr selten noch die Liturgie feiern können, auf uns einen viel tieferen Eindruck macht als sonst im Frieden, da man die Liturgie in einer lebendigen Gemeinschaft miterleben kann.

Jeder der lange Zeit draußen war ohne regelmäßig die Liturgie feiern zu können, kann ermessen, wie tief einen dann eine solche Feier packt.

Hochwürden! Von mir kann ich Ihnen augenblicklich nur erfreuliches bereichten, denn dass es mir tadellos geht, während man aus der Schar ja nicht gerade Gutes hört. Leider werden ja immer noch mehr eingezogen und steht man ja eigentlich nur vor der Frage, wen soll man von den Jetzigen als Pfarrhelfen nehmen. Zur Zeit ist ja Hans noch da und außedem sind Sie selbst ja auch noch nicht fort. Was wird aber, wenn Sie und Hans alle beride fortmüssten? Aus den Kerlen unseren rechten Mann herausfinden ist schwer, denn alle sind doch noch recht jung.

Ich hoffe, dass sich doch einer finden lässt, damit die Arbeit nicht ganz flach fällt.

Ich muß meinen Brief beenden. Der Dienst ruft und gleich geht’s raus.

Seien Sie recht herzlich gegrüßt und grüßen Sie auch die Kameraden.

Rudi