Hubert Gülden an Kaplan Stiesch, 1. Mai 1942

Lütgendortmund, 1. 5. 1942

Werter Herr Kaplan!

Ich will heute noch einmal ein paar Zeilen an Sie richten. Sie müssen entschuldigen, dass ich so lange nicht an Sie gedacht habe, aber hier ist alles drunter und drüber gegebnen, sodaß ich einfach nicht dazu gekommen bin, den Felderhalter in die Hand zu nehmen. Kurz nach Ostern sollten wir nach dem Osten versetzt werden und wurden noch spät in der Nacht eingekleidet und da wurde ich am Abend vor der Versetzung krank, sodaß ich zurückbleiben musste. Am nächsten Tag schon wurde ich ins Laz. eingeliefert als scharlachverdächtig. Nun liege ich schon fast drei Wochen hier und ich kann mich eigentlich gar nicht beklagen, denn die Behandlung und Verpflegung ist gut. Das einzige, was mir hier fehlt ist die Freiheit. Während draußen jetzt die Natur grünt und blüht, muß ich auf dem Zimmer hocken und im Bett liegen! Aber auch das geht vorüber, „Auf Regen folgt Sonnenschein“, und ich hoffe, wenn ich hier wieder herauskomme einige Tage Urlaub zu bekommen. Das ist ja dann auch eine ganz nette Entschädigung.

In Köln scheint der Tommy ja jetzt schwer

zu hausen. Bei dem letzten Angriff, der im Heeresbericht erwähnt wurde, soll wie ich hörte ja auch die herrliche St. Pantaleonskirche zerstört worden sein. So geht das jetzt nun Schlag um Schlag! Der Engländer zerstört hier ungeheure Kulturwerte und wir machen es als Erwiderung in England nicht anders. Werte an denen Jahrhunderte gebaut haben, in denen sich Zeitalter in ihrer Gesinnung verewigt haben, werden in wenigen Augenblicken zersötrt. – Frauen und Kinder werden fern der Fronten hingemordet. Hier wie drüben. Was ist da eigentlich noch der Sinn des Krieges, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen darf?

Für heute will ich dann schließen mit bestem Gruß   Ihr

Hubert Gülden