Edmund Zingsheim an Kaplan Stiesch, 6. Mai 1942

Lähn, 6.V.42

Herr Kaplan Stiesch!

Daß Ihnen auch so etwas passieren konnte. Ich würde das als „freier Mann“ nie geduldet haben, mich so von der Umwelt zu isolieren und sich noch zu bedanken, dass das Radio nicht mehr läuft. Auch uns hatte man es abgestellt, nat. nicht, damit wir ungestörter Romane lesen konnten…. Und wie dankbar zeigten wir uns, als Beethoven, Bach und andere Kapazitäten wieder in unseren Gesichtskreis traten. Diese langsame Einführung in die westliche Kultur war unbedingt erforderlich und der Lazarettbesuch aus diesem Grunde ideal, wenn auch der Anlaß gar keinen Idealismus zeigen konnte, wohl aber Idealismus forderte.

Bald schon hoffe ich wieder, für kurze Zeit die heimatlichen Gefilde durchstreifen zu können und Dreikönigen durch meinen Besuch in Unruhe zu versetzen. Oder werde ich nicht sehnlichst erwartet? Als Ehrenbürger des deutschen Volkes! Davon abgesehen kenne ich ja die Bickendorfer zur Genüge. Schade, dass ich an dieser Feier am 10. nicht teilnehmen kann. Ob ich das hl. Pfingstfest zu Hause miterleben darf? Es wäre wohl mein schönstes Geschenk. Sollte ich dann noch hier weilen, so wünsche ich Ihnen schon jetzt Gottes Segen und die Gnade des Heiligen Geistes über Sie.

In TreueIhr

Hub. Zingsheim