Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 8. Mai 1942

Holland, am 8. Mai 1942.

Lieber Rudolf!

Herzlichen Glückwunsch zu überstandener Krankheit. Auch bei uns fordert dieselbe Sache ihr Opfer. Ein Block unserer Unterkunft liegt wegen Diphteriegefahr in Quarantäne. Du musst entschuldigen, daß ich Dir trotz Deiner Krankheit nicht eher geschrieben habe, der Dienst nahm uns in den letzten Wochen von morgens 5 bis Abends um 10 ½ bis 11 Uhr in seine Gewalt. Neue Rekruten kamen: Rheinländer und Westfalen vom Jahrgang 23. Zum ersten Mal bekamen eine Reihe von Gefreiten eine eigene Korporalschaft, 15 Kerle, deren soldatische Erziehung nun ganz in unserer Hand liegt. Die Arbeit kannst Du Dir vorstellen, dazu waren wir infolge von Lehrgängen, Beurlaubungen und dergl. viel zu wenig Ausbilder: Zwei Tage habe ich als Dienstältester den ganzen Zug geführt: 60 Mann. Da muß man schon seinen Kopf zusammenhalten, sonst regnet’s Zigarren. Der Lehrgang, in dem ich jetzt stecke, hat uns mitten aus der ersten Arbeit herausgerissen. Ich bin gespannt, was aus dem Landen geworden ist, wenn wir wiederkommen.

Im Augenblick weile ich in der Stadt, wo unser Bonner Rendant Belz seit Februar deutscher Pfarrer ist. Ich habe schon manch feine Stunde mit ihm verlebt. Am Mittwoch haben wir bis

21.00 Uhr in einer Buchhandlung gekramt: deutsche rel. Literatur, soviel man sie in ganz Köln in keinem Laden mehr findet. Zunächst habe ich mir ein feines Brevier in Leder gekauft, zu einem Preise, für den Du es in Deutschland nie bekommen würdest: 35 M. Dann: Casel: Festtagsmysterium, Eganter(?): Von der Freiheit der Kinder Gottes, N.T. Einleitung, „Zeugen des Wortes“, fast die ganze Serie, und so vieles andere. Im Ganzen mag es wohl für etwa [??? hfl] Zeug sein. Kannst Dir unsere Freude vorstellen.

Und übermorgen feiert Ihr den Bekenntnistag der Jugend, den Tag der Gottesmutter. Ich bin gespannt, von Euch darüber zu hören. Von Jupp Kann habe ich noch nichts gehört. Hat er nichts von meinem Brief gesagt. Fragt ihn bitte nicht danach. Und wie klappt der Laden sonst?

Dir und allen Kerlen herzlich Heil

Jochen