Ludwig Kreuser an Kaplan Stiesch, 6. Juni 1942

Breyell-Schaag, 6.6.42

Lieber Herr Kaplan Stiesch!

Diese Woche erhielt ich Ihren Weihnachtsbrief v. 12.12., Ihre Antwort auf meinen Brief vom 28.10., aus Russland zurück. Dieser Ihr Brief war doch somit annähernd ½ Jahr unterwegs. Gleichzeitig erhielt ich einen Weihnachtsbrief von unserem Hans und einen solchen von unserer Helma, die ebenso lange gelaufen waren. Das sind Zeiträume! – aber sie haben mich gefunden.

Recht herzlichen Dank sage ich ihnen für das beigefügte Büchlein der „Meßfeier im Seelengrund“, das ich als ein kostbares Weihnachts-Geschenk aus Ihrer Hand entgegengenommen habe.

Welch herrliche Schrift hat doch mein Namensvetter hier verfasst! Kein Wort zuviel und keines zu wenig ist darin enthalten; alles goldene, inhaltsschwere Worte; die sich bis tief in den „Seelengrund“ hinabsenken. Wenn man darin betet, kann man nicht unandächtig, oder auch nur im Geringsten zerstreut sein. – Eine große Freude haben Sie mir damit bereitet!

Ich wünsche nicht, dass Sie einmal eingezogen werden; denn Sie sind doch zu schade für die Hölle! – Gewiß, muß ich gestehen: meine Seele ist geläutert, gehoben, näher mit Gott verbunden worden, ich bin noch ruhiger, in Gott gesammelter geworden, was ich als Wachsen im Glauben bei mir bezeichnen kann. Auch hier muß ich mit ‚Niezsche’ sprechen: „Was mich nicht untergekriegt hat, hat mich stärker gemacht!“

Ich entnahm auch Ihre ausführliche Mitteilung über die Nikolaus- und Weihnachtsfeier, die Sie für die Messdiener und jungen Männer ausgearbeitet haben; ich glaube es Ihnen, solche Mühe lohnt sich stets.

Mein vorjähriges Weihnachts-Erlebnis war ein doppeltes: Eine schlichte, aber schöne Weihnachtsfeier im kleinen Kreise in der heiligen Weihnacht, kurz vor dem Angriff der Russen – und hernach, am 2. Weihnachtstag, im Lazarett. Hierselbst ward mir die Gnade

zuteil, die Erscheinung Christi mitzufeiern im heiligen Meßopfer. Schließlich am Dreikönigstag, dem eigentlichen Weihnachtstag der Ostkirche, konnte ich wiederum dem heiligen Opfer beiwohnen, und den Herrn, den Friedensfürsten das Kind selbst empfangen. In Wahrheit eine gnadenvolle Weihnacht 1941, mitten in der Hölle.

Mit dem Friedenswunsche beseelt grüßt Sie, und auch den hochw. Herrn Pastor Vonessen,

Ihr Soldat

Ludwig Kreuser