Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 2. Juli 1942
Holland, am 2. Juli 42.
+ Rudolf!
Hab Dank für Deine herzlichen Grüße. Mit den Grüßen von Hans machen sie mir Freude mit all den Berichten vom Leben junger Kirche. Vor allen Dingen freut es mich riesig, daß unser neuer Bischof überall so frohe Zusage findet. Hans ist ja ganz begeistert. Na, ich bin gespannt.
Habt Ihr nicht die Gedanken aus der Gedenkstunde für Franz ein wenig niedergelegt, ich glaube, Ihr machtet uns allen draußen, denen Franz lieb gewesen, eine große Freude damit.
Aus unserem Dienst: am Montag war unsere Besichtigung, unerwartet nur eine Zwischenbesichtigung. Die Ausbildung unserer Rekruten geht bis zum Oktober. Da haben wir manche Arbeit gespart: Eingewöhnen der Rekruten, die Wache, bis die Rekruten wieder soweit sind. Das ist schon recht fein sol.
Gottdank, komme ich in den letzten Tagen und Wochen auch endlich zum Arbeiten, sodaß ich mich im Augenblick nicht beschweren kann. Zu dreien arbeiten wir am 1. Brief des hl. Johannes, den wir bald durchgeackert haben. Immer wieder brachten uns die Worte von Liebe zu Gott und in IHM zum Nächsten auf die Fragen unseres Dienstes als Ausbilder: Liebe und Härte. Die feinste Antwort fand ich bisher in einem kleinen Büchlein von Jansen-Coon in dem in einem kleinen Brief von der wesensgerechten Liebe gesprochen wurde. Von da her können wir unseren Weg durch den Dienst
finden. Dazu im Augenblick: R. Guardini: Hölderlin, der mir aber noch einige Kopfschmerzen macht. Zum ersten mal habe ich aber einige Gedichte von H. mit dem Innersten gefasst, schien mir seine Sprache und seine Bilder doch immer zu sehr gebunden an die Formen des Griechentums. Dürften wir dieses Griechentum auch in unserem Leben einmal so tief erfahren. Dann studiere ich K. Adam: Vom Wesen des Katholizismus, ein wirklich für den Mensch unserer Tage wertvolles Buch. Ich finde darin so manche Erkenntnis, die mir die letzten Jahre geschenkt, ganz tief wieder. Ich glaube, daß mir das Studium später nicht mehr soviel Zeit zum Lesen solcher Bücher lässt.
Daneben steht die Beschäftigung mit Nietzsches „Zarathustra“. Wir müssten unsere Kerle in der letzten Gruppe eigentlich soweit bekommen, daß man mit ihnen an all die Fragen, die sich darin auftun – und es sind die Fragen unserer Zeit – herangehen kann: Vom Bild des Menschen – Übermensch – Christ u. so vieles mehr. Wenn ich mir dabei aber den Alfons vorstelle. Den Kerlen fehlt doch in vielem noch die Reife, die auch für das Jungführertum unerlässlich ist. Bitte doch einen von den drei Jungführern, mir einmal zu schreiben, damit ich so nach Hans Weggehen auch mit den Jungen Fühlung behalte.
Für heute Treugruß in XP
Jochen