Ludwig Kreuser an Kaplan Stiesch, 14. Juli 1942

Bonn, 14. Juli 1942

Lieber Herr Kaplan Stiesch!

Für Ihren Brief aus Werden a.d.Ruhr und Ihren herzlichen Gruß vielmals Dank. Mögen Ihre Urlaubstage der Erholung Ihres Leibes und Geistes gedient haben, sodaß Sie, an beiden Teilen erfrischt, wieder frohen Mutes Ihrem Berufe nachgehen können.

Wie es mir geht, möchten Sie gerne wissen; - ich leide zeit meines Soldatenlebens Höllenqualen. Das Soldatenleben war und ist für mich immer eine Qual, weil es für mich, für meine Natur äußerst unnatürlich ist. Ich habe ein Streben nach einer bestimmten Richtung hin. Das Soldatsein zieht mich aber von dieser Richtung ab in die entgegengesetzte Richtung. Und dieses Schwimmenmüssen „gegen den Strom“ bedeutet für mich ständigen Kräfteverbrauch an Geist und Körper, ständiges Leid; es ist mir, als verspürte ich Höllenqualen. Der Geist wird jedoch, wenn er nicht ausbricht, gestählt. Ich bitte Gott ständig um die Gnade zum Aushalten bis ans Ende.

Der Sonntag ist meine Erholung; das hl. Opfer am Sonntag gibt mir neue Kraft.

Die Tagebücher Ihres Herrn Vetters sowie Ihre interessante Aussprache bei der „Gestapo“ interessieren mich sehr. Ich wollte sie in meinem letzten Sonntag-Urlaub aufgesucht haben, aber leider war mir die Zeit dazu nicht gegeben. Ich nehme mir vor, Sie dieserhalb doch einmal aufzusuchen, d.h. wenn Sie damit einverstanden sind.

Ich teile ganz Ihren Geschmack über Theater und Kino. Es ist sehr schade, daß heute so selten erbauliche Theaterstücke dem Puplikum geboten werden; dagegen die Unruhe des Films überschwemmt einen förmlich. Das Kino schreckt auch mich stets ab, weil ich immer niedergeschlagen dasselbe wieder verlassen habe.

Nun befinde ich mich in Bonn, der schönen Stadt am Rhein mit den nahegelegen Sieben Bergen und dem Vorgebirge. Jedoch die überaus traurige Zeit verfinstert die schöne, seine Natur und Trübsinn schleicht sich ein in die Herzen der Menschen. Drei Jahre Krieg sind es nun schon; welch eine lange Zeit! – Möge der Herr die dunklen Tage abkürzen, die uns noch bevorstehen!

Möge der Herr Sie, Hochw., vor der Hölle bewahren und in Frieden lassen in seinem Dienste.

Mit diesem Wunsch grüßt Sie recht herzlich Ihr

Soldat Ludwig Kreuser