Kaplan Stiesch an Jochen Soddemann, 21. Juli 1942

Rudolf Stiesch Kaplan Köln Bickendorf Schlehdornweg 1  

21. Juli 1942

Jochen!

Herzlichen Dank für das nette Bildchen. Ich habe es schon meiner Sammlung einverleibt und wenn Du das Album eines Tages mal anschaust, wirst Du Dich dort hocherfreut wiederfinden. So ging es dieser Tage einem Soldaten aus Berlin, den ich als Kolpingssohn in Kaiserswerth kennen gelernt hatte. Und bei sich hatte er einen kleinen Jungen, der sich auf den Meßdienerbildern wiederfand.

Hier wird es allmählich in der Obergruppe leer. Peter Haas ist in Krakau, Peter Pahl am Ilmensee, Hans Eiermann im Osten, Hermann Joseph Kleinsorg kommt zu den Kradschützen nach Wesel, Joseph Kreuser ist in Berlin, Hans Meiers liegt in Diedenhofen im Lazarett, Werner Schäfer in Aachen im Lazarett Edmund Zingsheim ist auch genesen und wird wohl wieder in den Einsatz kommen, Hans Werres kommt nach Münster. Wenn man das so übersieht, dann sieht man erst was das für eine schöne Gruppe war und was das für prächtige Kerle sind. Und dazu all die, die schon länger weg sind, Willi Winterscheidt, Rudi Conin, Ernst Jakobs, Hubert Gülden, Rudolf Sickeroth. Was muss das eine Wiedersehensfreude geben, wenn der Krieg mal erst zu Ende ist, und wir sind wieder alle zusammen.

Und was ich Juli erlebt habe. Zwei Tagehabe ich mit einer Mandelentzündung im Bett gelegen und habe Bergengrün gelesen: Im Himmel und auf Erden. Man bekommt einen schönen Einblick in den Vorabend der Reformationsgeschichte in der Mark Brandenburg. Und man tut den Einblick in die Seele eines Herrschers, der sich Gesetze ausdenkt und ihre

Wirkung beobachtet. Dann lese ich endlich Holzners Paulus. So interessant hatte ich mir das Buch nicht vorgestellt, trotzdem ich mit ziemlich hochgespannten Erwartungen an die Lektüre ging. Und dazu in einem so lesbaren Deutsch geschrieben. Hoffentlich gelingt es, das Buch für die Pfarrjugend außuwerten. Die Jungen meinen ja meist, wenn sie mal eine Stunde vom Hl Paulus gehört hätten, dann sei das Thema damit „erschöpft“. Wenn die eine Ahnung hätten! Ich wünschte mir nur immer das Pneuma, die Schriftlesung so interessant machen zu können, wie der Professor Vogels in Bonn im NTlichen Seminar das konnte. Da wurde der sprödeste lebendig und manchmal gradezu aufregend. Ich weiß heute noch, woran es lag. – Augenblicklich bin [ich] hier ziemlich solo. Der Pfarrer ist in Urlaub, Kaplan Fröhlich mit einer Magengeschichte im Krankenhaus. Gestern haben wir ihn besucht und [mit] ihm zum Zeitvertreib Skat gespielt. Kann auch mal nett sein. Vor allem, wenn die Spiele so auf des Messers Schneide stehen, etwa mit 58 verloren gehen oder mit 62 gewonnen werden. Das kann aufregend sein, wie ein Fussballspiel um die deutsche Meisterschaft am Radio.

Bei der Gestapo musste ich 600 RM auf ein Sperrkonto einzahlen, weil der Abend, an dem Kaplan Küppers seine Erlebnisse aus Afrika erzählt hatte, nicht rein religiös war. Wenn bis zum 1 Juli 1944 keine weiteren Verstösse vorliegen, bekomme ich das Geld wieder. Sonst verfällt es zu Gunsten der NSV bzw des WHW:

Sehr viel Freude macht mir das Zusammenspiel von Geige und Klavier mit Joseph Müller. Wir spielen ganz leichte Stücke von Händel.

Alles Gute! Komm bald mal wieder in Urlaub!

     Stets Dein