Rudolf Stiesch an Hans Meiers, 21. Juli 1942

Hans!

Das ist ja enorm, wie prompt Du schreibst! Da kann man kaum mitkommen. Ich hatte noch einige andere Briefe zu schreiben, so an den Herrn Meurer, unsern Küster und Organisten, so daß ich jetzt erst dazu kommen, dir zu danken. Deine Schrift ist aber tadellos, man merkt es ihr gar nicht an, daß sie im Bett entstanden ist. Du hast überhaupt schon eine recht flüssige ausgeschriebene Schrift, die wohl Deinen ruhigen und ausgeglichenen Charakter wiederspiegelt.

Daß Du so schöne Bücher zu lesen hast, ist ja erfreulich. Der Wanderer von Flex ist ja geradezu ein Bekenntnisbuch geworden, das des besten Teiles der Deutschen Jugend. An solchen Gestalten wie dem Ernst Wurche und am Dichter selbst kann man sich aufrichten. Die beiden waren übrigens Theologiestudenten, Protestanten. Ich habe ein Paulusbuch von Deißmann, das unter andern auch ihrem Andenken gewidmet ist. – Ich lese zur Zeit grade ein sehr schönes Paulusbuch von Holzner. Ich hätte kaum geglaubt, daß auch ein solches Thema so interessant behandelt werden kann. Wenn du mal Gelegenheit hast, es zu lesen, nimm die Gelegenheit wahr. Du wirst es sicher nicht bereuen.

Gefallen ist der ältere Ingennerf. Er hieß Walter oder auch Jakob. – Am 8u Juli wurde ich mal wieder zur Gestapo bestellt wegen des Abends, an dem Kaplan Küppers vom Akazienweg seine Erlebnisse aus Afrika erzählt hat. Weil dieses Thema nicht genügend rein religiös war, muß ich 600 RM Sicherungsgeld auf ein Sperrkonto einzahlen. Wenn bis zum 1. Juli 1944 keine weiteren Verstösse vorliegen, bekomme ich das Geld wieder, sonst verfällt es zu Gunsten der NSV oder des WHW.

Augenblicklich bin ich hier ziemlich solo. Der Pfarrer ist in urlaub, Kaplan fröhlich ist in der Schönsteinstrasse mit einer Magengeschichte. Gestern haben wir ihn besucht und ihm zum Zeitvertreib Skat gespielt. Das macht zur Abwechselung auch mal Spass. Und es kann hochdramatisch werden, wenn man so ganz knapp mit 58 verliert oder mit 62 gewinnt. So ähnlich aufregend, als wenn ein Fussballspiel unentschieden hin und hergeht und in der letzten Minute erst die Entscheidung fällt.

Und Fräulein Wagner, unsere Organistin ist auch verreist. Bei dem Amt für Ingenerf war deshalb ein Musikstudent aus Köln Mülheim hier, ein Schüler von Bachem namens Dieter Sauret, der sehr sauber Bach spielte. Wir haben sehr schöne Stunden erlebt. Josef Müller brachte seine Geige mit und dann spielten wir Stücke von Händel für Geige und Klavier bzw Orgel und Geige. Vielleicht findet sich später einmal ein festlicher Anlass, so etwas im Rahmen einer Kirchenmusikalischen Andacht zu spielen. Augenblicklich ist ja alles etwas durch die Kriegsverhältnisse lahmgelegt.

Heute traf ich einen Mitkaplan, der deutscher Seelsorger in Madrid ist. Er erzählte, daß er lieber wieder daheim wäre. Die Jungen stammten meist aus spanisch deutschen Mischehen und die Umgebung dort bewirke natürlich, daß sie doch mehr spanisch als deutsch empfänden. Und die Post brauche ca 8 Tage von Köln nach Madrid. Diese lange Laufzeit kommt wohl durch die doppelt Briefzensur, die alles durchläuft. Es geht also doch jedem so, daß er am liebsten wieder zu hause ist. Und dir hoffe ich das auch. Du wirst ja sicher einen tüchtigen Genesungsurlaub notwendig haben. – Peter Pahl ist auch schon im Osten, am Ilmensee: nr 28898. – Werner Schäfer war auch in Urlaub. Er hat bisher fast nur Lazarett erlebt. Übermorgen kommt Hans Werres zu den Funkern nach Münster iW. Peter Haas ist in Krakau. Hermann Jos Kleinsorf kommt als Kradschütze nach Wesel. Alles ist zerstreut.

Herzlichen Gruß Dein