Kaplan Stiesch an Peter Pehl, 21. Juli 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
21. Juli 1942
Peter!
Da fiel ich ja aus allen Wolken, als ich da dieser Tage von Dir aus Russland einen Grusz bekomme. Ich hatte immer geglaubt, Du seiest im friedlichen Westen und da sehe ich, dasz du auch schon in diesem Hexenkessel drin bist. Peter Haas ist auch schon da, er wird aber noch weiter ausgebildet. Er ist also nicht direkt in den ersten Reihen. Bei Euch mag es ja ungemütlich genug hergehen. Mein Vetter, der vor Moskau kürzlich verwundet worden ist, hat mir so einige Kostproben erzählt, die für meinen Bedarf genügen. Sind denn noch mehr Kölner mit Dir zusammen, oder bist Du unter lauten Fremden0 Und wie sieht es sonst aus? Genug zu essen?
Übermorgen kommt Hans Werres weg. Er wird in Münster als Funker ausgebildet. Vor kur-zem hat Prälat Wolker hier Exercitien für Priester gehalten. Es waren das sehr schöne Tage, unmittelbar vor der Nacht der groszen Verwüstungen. Er erzählte unter anderm von einem Feldgeistlichen, der sich sehr gut bewährt hätte. Er hätte zB einen russischen Bunker aus-genommen und die Besatzung gefangen eingebracht. Und manch einen hätte er als Hilfssa-nitäter vor dem Untergang gerettet. Hoffentlich sind solche Beispiele nicht allzu selten.Ich bin mehrmals zur Gestapo bestellt worden, weil im März Kaplan Küppers vom Akazienweg seine Erlebnisse aus Afrika erzählt hatte. Es galt das nicht als genügend reinreligiöses Thema und ich musste 600 RM als Sicherungsgeld auf ein Sperrkonto einzahlen.
Sonst erlebe ich hier noch manches Schöne. Mit Joseph Müller treffe ich mich öfter und dann spielen wir Stücke von Händel für Geige und Klavier. Das macht uns immer sehr viel Freude. Es ist merkwürdig, wie schön diese beiden Instrumente sich ergänzen. Und was für eine Be-friedigung es gewährt, wenn die Sache klappt. In meinen Ferien war ich auch noch zweimal im Theater: in Düsseldorf in Romeo und Julia und hier in Köln in Kabale und Liebe. Beide Stücke wurden sehr gut gespielt. Ich kannte sie nur von der Schule her. Und ich hatte damals einen recht langweiligen und matten Eindruck. So was kann man eigentlich auch nicht lesen. Man muss es schon sehen, damit es Farbe und Leben bekommt. Ich hätte nie geglaubt, dass solche Stücke so bühnenwirksam, so seelisch erschütternd sein könnten. Hoffentlich ist bald wieder Friede, damit diese kulturellen Güter uns allen wieder offen stehen. Ihr werdet da ja so ziemlich von allem Schönen und erhabenen abgeschnitten sein.
Und einen neuen Bischof haben wir auch wieder. Joseph Frings, früher Pfarrer in Braunsfeld und Regens des Priesterseminares. Man hört sehr viel Gutes von ihm. Er reist durch die gro-szen Städte und erweckt überall die Begeisterung der Jugend.
Der Pfarrer ist zur Zeit in Urlaub, Kaplan Fröhlich mit einer Magengeschichte im Kranken-haus. So habe ich das Reich allein. Gestern haben wir Kaplan Fröhlich besucht und Skat gespielt. Auch das hat seine Reize.
Nun hoffe ich, dasz Du uns mal einige Zeilen schreibst, damit wir etwas ausführlicher wissen wie es Dir geht. Jetzt musz die Arbeit in den Glaubensstunden der Jugend wieder mit Voll-dampf und mit Gottes Gnade wieder aufgenommen werden. Hoffentlich ist die Arbeit des Winters gesegnet. Es gibt ja doch so unendlich viele interessante Fragen und so vieles bleibt unklar in den Köpfen und könnte doch geklärt werden.
In steter Treue bin ich Dein