Kaplan Stiesch an Peter Haas, 31. Juli 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
31. Juli 1942
Lieber Peter!
Für Deine Zeilen aus dem Osten recht herzlichen Dank. Ich war ja ganz platt, als ich von Niederwipper hörte, dasz Du so plötzlich und schnell zum Osten gekommen bist. Hoffentlich geht es Dir zeitgemäss gut. Du schreibst ja viel von schönen Fahrtenerinnerungen. Jetzt gehen die Kleinen schon auf Groszfahrt. Günter Kaussen und Adi Ubber waren per Rad nach Bayern. Günter war bis Salzburg und ist 4 Tage dageblieben. Er hatte ein Empfehlungsschreiben vom Herrn Pastor mit und ist in vielen Pfarrhäusern gastlich aufgenommen und bewirtet worden. Die Kerle haben jedenfalls Unternehmungsgeist. Mich wundert nur, dasz die Eltern nicht mehr in Unruhe sind. Aber schliezlich sind die Jungen hier in Köln durch Bomben ebenso oder noch mehr gefährdet, als anderwärts durch die Gefahren der Fremde.
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Dir das letzte mal in meinem Urlaub aus Werden geschrieben. Inzwischen habe ich manches Schöne erlebt, so Exercitien bei Wolker. Er ordnete alles seiner Lieblingsidee, der gloria Die, der Verherrlichung Gottes unter. Manches war schön gesagt zB, Tünnes und Schäl seien Wohltäter der Menschheit. Und jetzt marschierten sie an allen Fronten. Er meinte damit den Kölner, der überall steht, und Leben und Frohsinn verbreitet. Oder er sagte, in einem guten Witz stecke mehr Verherrlichung Gottes als in einer langweiligen Predigt. Von den mächtigen Zerstörungen in Köln wirst Du ja gehört haben. Gestern war ich in Capitol. Es sieht trostlos aus. Aber die Krypta ist erhalten. Du warst ja auch oft da.
Viel Freude erlebe ich mit Josef Müller zusammen. Wir spielen leichte Stücke von Händel für Violine und Klavier. Das macht
unglaublich viel Freude.
Zweimal war ich im Theater in Romeo und Julia und in Kabale und Liebe. Beide Stücke haben mich in tiefster Seele gepackt. Wenn man so was liest, wirkt es doch blass und leblos. Und wie dramatisch und erschütternd auf der Bühne! Hoffentlich kommt bald die Zeit da die kulturellen Aufgaben wieder stärker gepflegt werden können und ihr alle wieder an ihnen teilnehmen könnt.
Die Glocken sind inzwischen auch abgeholt, nur die kleinste Glocke ist uns geblieben.
Mehrmals muszte ich zur Gestapo, weil im März Kaplan Küppers seinen Abend über die Erlebnisse in Afrika gehalten hatte. Dies galt als nicht rein religiöses Thema. Daher musste ich 600 RM auf ein Sperrkonto bezahlen, d h ich bekomme erst nach dem 1 Juli 1944 das Geld wieder und nur, falls keine weiteren Verstösse vorliegen.
Am letzten Sonntag hatten wir zum ersten Mal während der 8 Uhr Messe Alarm. Pater Breuning war grade bei der Predigt. Nach der Entwarnung setzte er den Faden da fort, wo er aufgehört hatte. Die Gläubigen waren wohl fast alle wieder da. Ich habe mich gewundert, dass nach dem Alarm die Kirche genau so gut besetzt war wie vorher.
Nun wünsche ich Dir alles Gute! Schreib ab und zu wenigstens mal einen kleinen Kartengrusz. Die Arbeit der Gruppen hat schon wieder begonnen. Ich habe am Montag mal mit einer Einführung in das Leben und die Geisteswelt des hl Paulus den Anfang gemacht.
Sei herzlich gegrüszt in steter Treue von Deinem