Kaplan Stiesch an Hermann Wengelski, 31. Juli 1942
31. Juli 1942
Lieber Hermann!
Für Deine Zeilen recht herzlichen Dank. Es sind ja recht lange Monate vergangen, seit wir zuletzt von einander hörten. Du schreibst von meiner Einziehung. Um Weihnachten habe ich sie erwarten sollen, aber noch heute stecke ich in zivilen Kleidern. Ich selbst weisz nicht, woran es liegt, dasz ich noch nicht fort bin. Es scheint, dasz der Bedarf an Sanitätssoldaten, denn nur dazu braucht man uns, gedeckt ist. – Bei dem groszen Angriff vom 1 Juni sind wir hier glücklich verschont geblieben. Ich habe in der Nachbarpfarre ein wenig mitgeholfen lö-schen und Wassereimer geschleppt. Zum ersten Mal habe ich da brennende Häuser und Kirchen gesehen. Am Tage nachher sah es böse aus in Köln: überall noch brennende Häuser, keine Strassenbahn fuhr, kein Telephon ging, kein elektrischer Strom war da, das Wasser kam nur mühsam in die Paterrewohnungen, bis zum ersten Stock reichte der Druck nicht mehr. Es ist zu bewundern, wie schnell die Schäden alle beseitigt wurden. Nur die zerstörten Bauten stehen natürlich da als stumme anklagende Zeugen wider solche Barbarei. Ich glaube schon, dasz hier manche Frauen und Kinder mehr mitgemacht haben als mancher Soldat, die Frontsoldaten natürlich ausgenommen. Ich habe im letzten halben Jahr manches Schöne trotz des Krieges erlebt. 14 Tage war ich mit Diphtherie im Krankenhaus, auch sorglose schöne Tage, in denen ich manches schöne Buch gelesen habe. – Dann einige Tage religiöser Besinnung die für die Kölner Kapläne der Prälat Ludwig Wolker gehalten hat. Er hatte den einen Gedanken der Verherrlichung Gottes und zeigt auf, die diesem zentralen Gedanken alles dient. Verherrlichung Gottes im Opfer und im Gebet, in der Arbeit, in Ver-kündigung des Gotteswortes, sogar in Leid und
Sünde, als sie die Möglichkeit der reuevollen Umkehr geben. Einige schöne Formulierungen hatte er zB: Tünnes und Schäl sind Wohltäter der Menschheit, weil sie die Menschen erheitern. Ein guter Witz enthalte eine gröszere Ver-herrlichung Gottes als eine langweilige Predigt.
Kürzlich war ein Kaiserswerther zu Gast, den Du vielleicht auch noch kennst: Theo Buiting der Gärtner von Schmitz vom Leuchtenberger Kirchweg. Er erzählte viel von seinen Berliner Eindrücken bei seinem Major, dem er unterstellt ist. Er hat häufig Gelegenheit, in das Theater und in die Staatsoper zu gehen und all die berühmten Spieler und Sänger kennen zu lernen. Und doch geht sein Wunsch auch natürlich nach hause und zurück zum eigentlichen liebgewordenen Beruf. Und erst wenn man mal erst Frau und Kinder hat! Dann werden die Gedanken immer daheim sein. Hoffentlich dauert die Zeit der Trennung nicht mehr allzu lan-ge. Willi Noll hat inzwischen geheiratet. Gefreiter Willi Noll Feldpost Nr 15 377 Abholpostamt Hilden Rhld. Er hat mir auch einen sehr lieben Brief geschrieben. – Von den andern Kai-serswerthern höre ich nur wenig. Herr Spickmann war hier in der Nähe von Köln in Quartier. Leider haben wir uns nicht angetroffen. Ich war grade in Urlaub, als er hier bei uns an der Türe war.
Und wie geht es Dir? Und Deinem Bruder? Ist er auch Soldat? Ich habe ihn ja einmal flüchtig kennen gelernt, als ich Dich bei Kaufholds aufsuchte. Da machte er mir die Türe auf und der Hund bellte wie verrückt. Weiszt Du noch, wie wir das Apostelspiel gespielt haben? Das ist eine der schönsten Erinnerungen meines ersten Jahres, das ich in Kaiserswerth verleben durfte. Die ersten Eindrücke im neuen Beruf sind immer die nachhaltigsten. Dir wird es wohl ebenso gegangen haben? Ich wünsche Dir nochmals alles Gute und Schöne, was man hof-fentlich auch da mal erleben kann und wünsche Dir bald Urlaub! Komm dann aber auch nach Köln! Stets in Treue Dein