Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 2. August 1942

In Holland, am Sonntag Sexagesima.

+ Rudolf!

Hab Dank für Deinen Brief. Die Antwort darauf wird Dich nach den letzten Nachrichten von daheim immer noch zu Hause erreiche, Du bist in die gleiche Ungewissheit des Wartens gestellt wie ich damals. In solchen Tagen kann man seine Geduld – die ich mehr und mehr für die Tugend des Soldaten halte, das Aushalten und Wartenkönnen – prüfen. So manches wird gehemmt, da man den Beginn nicht mehr wagt, so gings mir wenigstens. –

Nun zu Deinem Brief: Ich habe Jupp Kann und durch ihn auch Karl-Egon zu der ganzen Sache einen Brief geschrieben. Ob Recht oder Unrecht – darüber kann ich mir kein Urteil machen und will es auch nicht. Jedenfalls schien mir das Ganze so furchtbar kleinlich und – an der Größe unserer Aufgabe gemessen – lächerlich. Jupp hat das anscheinend auch eingesehen und

schrieb mir, daß er nach einigen Wochen Krankheit nun wieder mittun will. Ich glaube, man tut am besten, wenn man die Sache mit den Briefen vergisst. Zu Alfons: Hoffentlich macht der Kerl keine Dummheiten, in manchem ist er doch noch sehr unreif: Fragen wie: wir und der Staat und dergl. sind für ihn noch keine Probleme, sondern er löst sie in jugendlicher Unreife. So kann er auch in der Arbeit mit den Eltern leicht Fehler begehen. Was ist aus der Arbeit mit den Eltern geworden, wir müssen unsere Jungführer unbedingt dazu erziehen. Die Minderwertigkeitsgefühle sind für einen Kerl, der getragen ist vom wirklichen letzten Einsatz für die Sache, nicht am Platz. Vielleicht kannst Du da noch einmal Anregung geben. (Elternrunde!) Was treibt Ihr sonst im Augenblick? – Du schreibst von der „Genesis des Christentums“. Ich hätte das Buch gerne einmal gelesen. Kannst Du es mir nach Aufhebung dieser blöden Päckensperre, die

allmählich einmal ein Ende nehmen könnte, einmal besorgen bzw. teilweise zuschicken?

In den letzten Tagen habe ich unverschämt viel gelesen. In Feuerers „Glückselige Schuld“ fand ich sehr viele feine Gedanken, auch über den Sinn des Priestertums und den Priester in der Zeit. Dazu geht unsere Arbeit an der Schrift munter fort. Wir sind jetzt zu viert – der 4. in der Runde ein ehem. NDer aus dem Kohlenpott, Feldw. und Rekrutenoffizier in unserer Kompanie. Wir haben noch manche Pläne. – Am letzten Sonntag war ich zum ersten Mal seit meinem Urlaub (26.10.) wieder zur Heiligen Messe. Anschließend waren wir lange mit unserem Bonner Rendenten a.D., Pfarrer Belz, zusammen. Die Arbeit in der deutschen Gemeinde dort macht ihm viel Freude, er gibt an den dortigen deutschen Schulen allein 20 Unterrichtsstunden. Am Nachmittag saßen wir lange mit dem neuen Marinepfarrer zusammen. Wir sprachen über so viele Dinge, vor

allem von Studium und von Büchern. Solch ein Tag gibt einem doch Kraft und neue Bereitschaft für Wochen.

Und nun hat diese Freude schon wieder ein Ende: In den nächsten Tagen sollen wir verlegt werden, auf Appeldoorn zu. Da ist’s ein ziemlich weiter Weg bis A’dam. Ich bin gespannt?

Nun freue ich mich darauf, bald von Euch zu hören und grüße Euch alle daheim

   Im Herrn     XP

Jochen