Kaplan Stiesch an Ferdinand Deussen, 4. August 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

4. August 1932 [richtig: 1942]

Lieber Ferdinand!

Gestern kam ich mit Deinem Vater ins Gespräch und er sagte mir, dasz Dir der Rundbrief von Hans Werres nicht gefallen habe, weil nur die Theologen darin vertreten gewesen seien, zuviel aus Büchern darinstand und Ihr draussen lieber etwas von der Pfarre hörtet. Nun ist der Geschmack ja verschieden und über den Geschmack kann man nicht disputieren aber ich habe auch schon Stimmen gehört, denen der Brief sehr gut gefallen hat. Aber damit Du auch zu Deinem Rechte kommst, will ich ein wenig von der Pfarre erzählen und hoffe, dasz Du uns gelegentlich auch mal ein kleines Lebenszeichen zukommen lässt, auch wenn es blosz ein Postkartengrusz ist. Inzwischen sind einige eingezogen worden: Hans Werres nach Münster zu den Funkern und Willi Krautz nach Detmold zur Infanterie. Und eine Menge ist nach kurzer Ausbildung schon im Osten: Peter Pehl ist am Ilmensee, Hubert Gülden bei der Artillerie weit vorn im mittleren Abschnitt, Hans Eiermann irgendwo in einer Sumpfgegend, Peter Haas ist wieder im blauen Anzug der Flugzeugmonteure in Krosno bei Krakau. Edmund Zingsheim ist im RAD im Osten. So sind alle an den Fronten. Herr Meurer ist in Athen und ich hörte von Hans Kreuser, dasz er wohl als Orgelspieler an den Militärsender in Athen übernommen werden sollte. – Wenn du Kaplan Schenk noch mal triffst, dann grüsz ihn doch bitte herzlich und sage ihm, ich wünsche ihm gute Besserung. Hoffentlich ist er bald wiederhergestellt.

Die Glaubensstunden der Jugend haben wieder angefangen und ich begann mit der Darstellung des Lebens des hl Paulus. Er ist ja auch so in der alten Welt herumgeflogen, wie Ihr jetzt in

Europa herumkommt. Wolker sagte, der Kölner sei personifiziert in Tünnes und Schäl und diese seine Wohltäter der Menschheit, weil sie zu einem befreienden Lachen verhelfen. In einem guten Witz stecke eine grössere Verherrlichung Gottes als in einer langweiligen Predigt.

Viel Freude erlebe ich augenblicklich mit Joseph Müller zusammen. Wir spielen leichte Stücke von Händel für Geige und Klavier und es ist eine wunderbare Geschichte, wie das Zusammenspiel Freude macht.

Mehrmals muszte ich in der letzten Zeit zur Gestapo. Das Resultat war, dasz ich 600 RM auf ein Sperrkonto einzahlen musste. Das heiszt, das Geld bleibt bis zum 1 Juli 1944 gesperrt, und ich bekomme es dann wieder, wenn keine weiteren Verstösse vorliegen. Sonst verfällt es zu Gunsten der NSV bzw des WHW. Es handelte sich darum, dasz an einem   Abend im März Kaplan Küppers von Akazienweg seine Erlebnisse aus Afrika erzählt hatte. Dieses Thema galt als nicht rein religiös.

Als Kaplan Fröhlich krank war, habe ich manchmal mit ihm und Kaplan Estermann Skat gespielt. Ich hatte wieder etwas Lust daran bekommen. Der Pater Schulte sagt, Skatspielen sei keine verlorene Zeit, nur die Zeit wo man die Karten mische, diese Zeit sei verloren.

Dasz die Glocken bis auf die kleinste abgenommen sind, wirst Du doch wohl wissen. Und wer in der letzten Zeit gefallen ist, vermutlich auch? Ingenerf, Höschler, Heinen, Kanis waren die letzten. Jetzt sind es schon 43 aus unserer Pfarre, allerdings die aus der Kirche ausgetretenen mitgezählt. Von Franz Ley lernen wir augenblicklich ein Lied, das er gedichtet und Karl Heinz Hodes komponiert hat. Hoffentlich bürgert es sich bald ein.

Mit herzlichem Grusz bin ich Dein