Kaplan Stiesch an Walter Vosen, 12. August 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

12. August 1942

Walter!

Deinen Grusz erwidere ich auf das herzlichste und freue mich, mal von Dir zu hören. Die Zeit im RAD wird ja bald vorüber sein und Du wirst ja wohl hoffentlich nicht ohne Urlaub gleich zum Militär kommen, wie man das da und dort schon einmal hört.

Nun ist Hans Werres inzwischen auch weg nach Münster zu den Funkern. Hans Eiermann, Hubert Gülden Peter Pehl sind im Osten an der Front, Peter Haas in Krosno bei Krakau bei den Flugzeugmonteuren. Joseph Kreuser ist bei der Flak in Berlin, Hans Meiers liegt mit einer Beinverletzung im Lazarett in Deidenhofen. Edmund Zingsheim ist mit dem RAD im Osten. Ihr seid also in alle Winde zerstreut und allmählich wächst der Jahrgang nach Euch in die Obergruppe der Pfarrjugend hinein. Augenblicklich besprechen wir das Leben des hl Paulus, diese Odysse, die an Abenteuerlichkeit eigentlich nichts zu wünschen übrig lässt. Ich hatte gar nicht zu denken gewagt, dasz die Jungen so aufmerksam mittun würden. Aber ich freue mich sehr darüber. Die letzte Gemeinschaftskommunion war auch durch eine grosze Zahl ausgezeichnet. Ich bin einmal rundgegangen und habe mal all die Schläfer aufgeweckt. Viele müssen mal so einen Anstoss haben.

Mit Hans Kreuser war ich letzten Sonntag in dem Rembrandt Film. Ich kann nur davor war-nen. Er hat mich auf der ganzen Linie enttäuscht. Von einer Einführung zum Werke Remb-randts war kaum eine Spur zu merken. Alles filmgerecht oberflächlich und des groszen Meis-ters doch zutiefst unwürdig. Für den Hans Kreuser war wohl die Wochenschau ein Erlebnis. Er sah da auf einmal Bilder vom Lazarett in Derna, der Duce besuchte Verwundete, Orte und Zimmer in denen

er vor einigen Wochen mit der Ruhr geweilt hatte. So etwas zu sehen ist natürlich schon etwas besonderes.

Augenblicklich lernen wir das Lied, das Franz Ley kurz vor dem er gefallen ist, gedichtet hat: der Schlachtenlenker ist der Herr, des Himmels und der Erde / für ihn zu kämpfen bringt gross Ehr, dass neu die Welt jetzt werde, Und Gottes Rüstung ziehn wir an, und greifen fest zum Schwert, wir folgen ihm ins Feld sodann, ihm unser Leib gehört. Die Melodie dazu Karl Heinz Hodes geschaffen und in der nächsten Gemeinschaftskommunion werden wir es hof-fentlich zum ersten Mal in der Kirche singen.

Viel Freude erlebe ich zur Zeit auch im Zusammenspiel Geige und Klavier mit Josef Müller. Wir spielen leichte Stücke von Händel. Es hat einen unglaublichen Reiz zu erleben, wie die Instrumente sich ergänzen.

Sonst geht das Leben hier seinen Gang. Häufig haben wir auch am Tage Alarm. Ich hoffe Dich bald gesund mal wieder unter uns zu sehen und bin in Treue Dein

Nun sehet den Stern den wir bringen
Ein Licht aus der himmlischen Pracht
Nun höret das Lied das wir singen
Ein Lied von der heiligen Nacht
Wir kamen von weither gegangen
Durch Meere und Wüsten der Welt
Wo alles noch dunkel verhangen
Weil niemand die Erde erhellt

Wir suchten in vielen Palästen
Messias den König und Herrn
Herodes der wollt uns zu Gästen
Doch folgten wir lieben dem Stern
Und als wir nach Bethlehem kamen
Hinein in das heilige Land
Da rief uns der Stern einen Namen
Den hatte noch niemand genannt.