Kaplan Stiesch an Willy Winterscheidt, 12. August 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
12. Aug 1942
Willi!
Für Deinen schönen Brief recht herzlichen Dank. Mir ist schon ganz entfallen, wann eigentlich Dein Urlaub war. Wenn ich mich recht entsinne, warst Du doch ungefähr mit Rudi Conin zusammen da, und von ihm erinnere ich mich der schönen Gedenkworte, die er für Franz Ley in der Gedächtnisstunde am 12 Juni gesprochen hat. Jetzt nach den Ferien geht die Arbeit mit frischer Kraft los und bei der letzten Gemeinschaftskommunion und der Vorberei-tungsstunde darauf war die Zahl der Jungen recht erfreulich. Hoffentlich hält der Eifer an. Jetzt fahren Samstags auch immer eine Reihe der Jungen nach Kapitol zur Komplet und ich hoffe, dasz wir hier bald auch zur Vorbereitung einmal im Monat eine schöne Komplet fertig bringen. Dann lernen wir das letzte Lied von Franz Ley: Der Schlachtenlenker ist der Herr zu dem Karl Heinz Hodes die Melodie geschaffen hat. – Bei den Meszdienern sind jetzt Helmuth Saure, Heinz Ambacher und Günter Kaussen neue Gruppenführer und ich lade sie zum Diakonatsabend mit ein. Sie kommen so in den Geist des Diakonates hinein und sie geben Anregungen und Wünsche für die Themen in ihren Pfarrjugendgruppen. Letzten Sonntag erzählten sie vor allem Franz Karl Werner von den Streichen vergangener Tage. Es war amüsant zuzuhören.
Mit Hans Kreuser war ich letzten Sonntag in dem Film Rembrandt. Er hat mich auf der gan-zen Linie enttäuscht. Von einer Hinführung zu dem Werk des groszen Meisters war kaum eine Spur zu merken und das biographische war in einer filmisch sensationellen Aufmachung gegeben, die des Künstlers gewiss unwürdig war.
Wie viel stärkere Eindrücke hatte ich vom Theater, von
Schillers Kabale und Liebe und Shakespeares Romeo. Ich hätte nie geglaubt, dasz diese klassischen Stücke noch so bühnenwirksam sein könnten und einen in innerster Seele zu erschüttern vermögen. Ende März hat Kaplan Küppers vom Akazienweg seine Erlebnisse aus Afrika erzählt. Dies galt als nicht rein religiöses Thema und deswegen musste ich 600 RM auf ein Sperrkonto bezahlen. Wenn bis zum 1 Juni 1944 keine weiteren Verstösse vorliegen, bekomme ich das Geld wieder, sonst verfällt es zu Gunsten der NSV des WHW.
In den Glaubensstunden haben wir jetzt mit einer Darstellung des Lebens des hl Paulus be-gonnen. Die Jungen interessieren sich lebhaft dafür, viel mehr als ich zu hoffen gewagt hatte. Von den Berichten der Schrift geht ja auch eine unsagbare innere Kraft aus, die einen immer wieder packt.
Hoffentlich kommst du unverwundet aus dem Hexenkessel heraus. Wenn man die Bilder in der Wochenschau sieht, kann man ja manchmal das Grauen bekommen, und dazu wird die Wirklichkeit oft genug noch unvorstellbar schlimmer sein als solche Bilder. Mein Vetter, der Leningrad verwundet worden ist, hat es mir jedenfalls so erzählt. Für den Hans Kreuser war am letzten Sonntag die Wochenschau interessant, weil er auf einmal den Besuch des Duce in dem Lazarett in Derna sah im Bilde und da sah er die gleichen Räume in denen er selbst vor Monaten mit der Ruhr gelegen hatte.
Kennst Du von den Messdienern den Fröhling? Er ist in KLV verschickung in Carlsruhe in Schlesien und schreibt sehr hübsche Briefe.
Euerer aller und Deiner Mutter werden wir alle immer gerne in unseren Gebeten gedenken und ich will auch immer wieder gern ein besonderes Memento machen nominatim et specia-liter wie der Wolker so schön sagt. In herzlicher Treue bin ich Dein