Peter Haas an Kaplan Stiesch , 31. August 1942
Giesen, 31.8.42
Hochwürden!
Für Ihren Brief, den ich ja noch in Polen erhielt, danke ich. Sie werden mittlerweile ja doch schon erfahren haben dass ich in Giessen bin. Genau so schnell wie ich nach Polen versetzt wurde, bin ich auch wieder zurückgeschoben worden. Es waren 4 schöne Wochen die ich dort verleben mußte. Allerdings gab es auch einiges auszusetzen, aber meistens, so auch hier, entdeckt man die Schönheiten erst nachher. Von der Fahrt nach hier war ich begeistert, jedoch nur von dem was ich sah. In den Wagen, (es waren Viehwagen) herrschte nicht gerade ein erfreuliches Leben. Wir fuhren über Krakau, Neiße, am Riesengebirge vorbei, durchs Erzgebirge und dann an Leipzig vorbei durch Sachsen über Gotha, Weimar, Erfurt, Magdeburg nach Giessen. Hier haben wir es nicht so gut wie in Krosno. Schon allein deswegen, weil der Ausgang sehr beschränkt ist. Zu jeder Zeit müssen wir Wache schieben, Brandwache, Bereitschaftsdienst und was es da noch alles gibt. Wenn man Glück hat, kann man jeden zweiten oder dritten Sonntag mal ausgehen. Die Gegend ist sehr schön hier. Es ist nur schade, dass der Standort so klein ist und wir also nicht darüber hinauskönnen. Aber wenn es gut geht kann ich bald mal zu einem Wochenende in Urlaub fahren und das ist doch immer das Erste wofür ein Landser zu haben ist.
Uns haben sie hier in Stuben mit 20 Mann gesteckt, und zwar in Baracken. Die Hälfte der Belegschaft sind alte Kerle. Einesteils ist mir das schon recht. Es herrscht immer Ordnung auf der Stube. Mit gleichaltrigen zusammen zu liegen macht kein Spaß mehr. Sie glauben kaum, welch schlechten Geist man bei der Mehrzahl findet. Einer sucht den anderen zu übervorteilen. Ich habe selten einen gesehen, der, wie so oft geprahlt wird, Soldatenkameradschaft übte. Darin sind die Alten 100 Prozentig besser.
Seit ich in Giessen bin, war ich seit Ostern mal wieder zur Kirche. Allerdings kann ich auch nur gehen, wenn ich keine Wache habe. Der erste Gottesdienst, dem ich hier beiwohnte hätte mich bald umgeschmissen. Es ist nur gut, das ich schon manches gewöhnt bin von vielen Dörfern und Städten her, die wir auf unseren Fahrten streiften. Eine Art Volkshochamt sollte das sein. Hier sang jeder mit, ob er konnte oder nicht.
Daß die Kleinen jetzt schon allein auf Fahrt gehen, kann man wohl als einen Fortschritt bezeichnen. Wir fuhren ja auch in diesem Alter oft raus, aber meistens waren immer Ältere dabei, die auf uns achtgaben und uns manches lernten. Leider fehlen die Alten jetzt und es ist um so erfreulicher, daß die Kerle trotzdem alleine fahren.
Heute bekam ich den Rundbrief von Hans Werres durch einem Mädel aus Bickendorf. Ich habe mich gefreut, mal etwas aus den Briefen anderer Kerle lesen zu können und etwas über die Bischofsweihe zu erfahren. Nachher frug ich mich aber, ob es denn wirklich schon nötig ist, daß dies die Mädchen uns die
Briefe schicken. Ich weiß ja noch, daß Jungen sich hierfür gerne drücken, aber das müßte doch zu machen sein.
In Ihren letzten Brief schrieben Sie von Theater und kulturellen Sachen. Dieses alles fehlt uns hier ganz und gar. Ab und zu führt man uns mal ins Kino. Doch wird da meistens der größte Schund des Jahres gebracht. Ich wünschte mir schon für kurze Zeit Urlaub, damit ich noch mal eine anständige Oper im Theater oder Konzert besuchen kann. Wenn ich mal was anständiges lesen will, muß ich mir das von daheim schicken lassen. Hier findet man nur Schundromane 20 PFg. Hefte noch und noch.
Für heute sende ich Ihnen nun recht frohe Grüße und grüßen Sie auch bitte die Kameraden denen ich nicht alle schreiben kann.
Entschuldigen Sie noch bitte, dass ich nicht mit Tinte schrieb die läuft nämlich auf diesem Papier aus, und ist man schon froh, wenn man solches hat.
Heil und Gruß!
Peter