Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 3. September

den 3.9.42.

Hochwürden!

Nach langem Schweigen Ihnen und allen Kameraden einen frohen Gruß.

Es hat fast 2 Monate gedauert ehe ich Ihnen nach meinem Urlaub schreib. Aber ich nehme an Sie wissen den Grund meines Schweigens und werden es daher auch entschuldigen.

Im Urlaub war durch die Abende mit den Kameraden, durch das ganze Leben wieder das Fernwehfeuer, der Drang in die Weite noch stärker entfacht. Das sture Leben in der Stellung tat dann das übrige. Aber auch meine Zeit sollte kommen und so kam auch für mich der Tag an dem ich meine Sachen packen und abhauen konnte. Dazu hatte ich noch Glück, denn ich kam in ein Land, das uns allen von jeher sehr sympathisch war. Auf unseren Abenden haben wir davon gesprochen, in unseren Liedern gesungen: Finnland, kein Land das uns so lieb wie dies.

Und so bin ich denn voller Erwartungen losgefahren und das Land hat mich bisher nicht enttäuscht. Es ist zwar erst ein flüchtiger, erster Eindruck, doch es wird wohl noch werden.

Das Land und die Gegenden alle sind hier einfach herrlich und es gibt wohl kaum ein Land, das solch herrliche, große Wälder besitzt. 2 1/2 Tage bin ich mit der Bahn und dann noch 2 Tage mit dem Auto über die Eismeerstraßen gefahren und sah ich da bis zuletzt hier oben nur unendliche Wälder. Dieses Bild ist nun nicht langweilig, denn es wechselt ständig. Oft sind wir durch Gegenden gefahren, in den man glaubte im Urwald zu sein. Dazu kommen dann noch die herrlichen Seen, die zwischen den Wäldern ein feines Bild ergeben. Es ist nur schade, dass man in Finnland so sehr an die Bahn gebunden ist, denn Straßen gibt es hier kaum, Die Bahn aber fährt, das ist auch ein Vorteil, nicht gerade schnell, denn die Zustände hier auf der Bahn sind verhehrend. So kommt man wenigstens in etwa in den Genuß dieser farbfrohen Bil-

der. In diesen Tagen auf der Fahrt, da fühlte man sich wieder wie in alten Tagen. Die Umgebung, die Uniform alles konnte man vergessen, so tief lebten da auch wieder vergangene Erlebnisse und Fahrten auf.

Die Fahrt über die Eismeerstraße war auch herrlich. Das Bild war jetzt nicht mehr so farbfroh, denn die Wälder werden, je weiter man zum Norden kommt, kahler und kümmerlicher. Dafür aber werden jetzt die Seen größer und noch feiner. Die Fjorde des Eismeeres ragen weit ins Land hinein und bieten ebenso prächtige Eindrücke. An einem der Fjorde liege ich zur Zeit. Das Gebäude ist zwar nicht gerade besonders, denn man sieht doch nur Wasser, Moor und Steine. Das Gelände ist natürlich sehr ungünstig für einen Angriff und führen wir ja auch hier nur einen Stellungskrieg.

Aber das Leben hier ist noch aushaltbar, wenn es auch noch etwas schwer ist, denn man muß sich doch in vielem umstellen. Aber, wir werden auch das aushalten.

Hochwürden! Ich möchte jetzt schließen, denn ich möchte die Kameraden jetzt nicht stören. Ich weiß ja noch nicht, wie es augenblicklich um die Arbeit in der Schar bestellt ist. Hans W. ist wohl jetzt auch nicht mehr dabei und weiß ich ja noch nicht, wer für ihn nun eingesprungen ist. Ich hoffe aber, dass alles noch seinen lauf nimmt und eher besser als schlechter wurde.

Seien Sie nun nochmals herzlichst gegrüßt und grüßen Sie bitte auch die Kameraden.

Rudi