Kaplan Stiesch an Willy Winterscheidt, 12. September 1942
12. September 1942
Willi!
Deinen schönen Brief von dem Feldgottesdienst habe ich schon mehrfach vorgelesen und ich hoffe, dasz Dir bald der eine oder der andere schreiben wird. Gestern sagte mir Hans Dahm, er habe Dir mal um Weihnachten geschrieben, aber keine Antwort bekommen. Ich kann mir nur denken, dasz dieser Brief verlorengegangen ist, aber ich hoffe, dasz er Dir doch noch mal schreibt. – Leider war ich mal wieder eine Woche krank, und da Alfons für 3 Wochen in Erholung ist und Franz Karl Werner leider nicht mehr mittut, ist vorige Woche alles ins Stocken geraten. Nun muss ich sehen, dasz ich alles wieder ans Laufen bekomme. Jede Stunde, die ausfällt, ist für die Jungen unwiederbringlich verloren und es sind so unendlich grosse Aufgaben, wenn man sich die Formung ganzer katholischer Menschen vorstellt.
Kürzlich hatte ich ein Erlebnis, was mir sehr nahe ging. Ich musste einen Soldaten beerdigen, der nicht zur Truppe zurückgekehrt war und deshalb erschossen worden war. Ich war in tiefster Seele erschüttert, war es doch die gleiche Situation wie in dem Lied es ging bei ge-dämpfter [gedämpftem] Trommelklang oder in dem andern von dem Soldaten, der das Alp-horn hört und dem Klang nicht widerstehen kann und seine Truppe verlässt.
Die letzten Wochen haben auch wieder schwere Opfer in der Pfarre gefordert. Rudolf Silck-eroth unser guter Kamerad ist gefallen, wieder einer der besten unserer alten Obergruppe dann Harald Breuning, der Bruder vom Pater Breuning. In den Tagen als Kaplan Klein noch hier war, hat er ja noch mitgetan.
Dann soll jetzt die Nachricht gekommen sein, dasz der als vermisst gemeldete Fritz Kreuser auch gefallen sei und ferner ein Schneider.
So geht der Krieg unerbittlich weiter und reisst seine Wunden und wer will sie heilen?
Mein Vetter Konrad, der alles zur Neige mitgemacht hat, den Vormarsch in Polen und Frankreich, in Russland mit dem strengen Winter vor Leningrad, der dann verwundet wurde, er hat jetzt die Tropenuniform und kommt nach Afrika. Manche müssen aber auch alles mitmachen.
Eine Reihe von Jungen sind jetzt für 3 Wochen in vormilitärischer Ausbildung, so Josef Müller, J Vossel, Heribert Faber, Werner Wulf, Josef Kann, Karl Egon Klein. So ist diese Gruppe auch ordentlich geschwächt für diese Zeit. Und wer weiss, wie bald schon der eine oder an-dere von diesen eingezogen wird!
Anbei ein Reclamheftchen. Ich hoffe, dasz es Dir etwas Freude macht. Wenn Du es gelesen hast, schicke es bitte um. Ich schicke Dir dann laufend immer ein neues. So sollen diese Heftchen unter den Soldaten kursieren und ich werde immer wieder neue dazukaufen. Ich habe schon wieder einen ganzen Schwung bestellt. Es sind sehr feine Sachen darunter.
Nun sei herzlich gegrüsst
Dein