Otto Mundorf an Kaplan Stiesch, 14. September 1942
Welzow, den 14.9.42.
Heil und Gruß Ihnen und allen Kameraden. Endlich komme ich dazu einmal etwas mehr von meinem Leben und Treiben hier draussen zu berichten. Es ist jetzt 1 Jahr her, dass ich die Gemeinschaft der Pfarre verlassen habe. Diese Zeit ist in 2 große Perioden eingeteilt meine Zeit in Lüneburg und jetzt in Welzow, wo ich die nächsten 8 Monate verbringen werde. In Lüneburg konnte ich eine neue Gemeinschaft junger Kirche in einem Soldatenkreis und in der Pfarrjugend mit aufbauen. Wir haben feine Stunden zusammen verlebt, Stunden gemeinsamer Arbeit, Stunden, in denen wir draussen in der Heide die Schönheit der Natur erlebten. Ich konnte mit hinaus in kleine Diasporagemeinden fahren um dort in irgend einem Saal das Opfer des Herrn mitzufeiern. In mancher Gemeinde konnte ich die Gemeinschaftsmesse einführen. Es war eine feine Arbeit. Hier draussen erkennt man erst richtig,
welchen großen Wert unsere Gemeinschaft hat, was echte Lebens- und Arbeitsgemeinschaft heißt. Jeder ist bei jedem zu Hause. Diese Menschen wissen, dass sie durch Christus zusammengehören. Ich musste oft an den Spruch von Hans Bannemann denken.
„Wo wir stehen, steht die Treue,
unser Schritt ist ihr Befehl
wir marschieren nach der Fahne
so marschieren wir nicht fehl.
Wenn wir singen, schweigt die Treue,
Sie ist größer als das Lied,
sie trägt schwingend unsere Fahne,
dass sie keiner wankend sieht.
Wenn wir stürmen, singt die Treue
Und ihr singen zündet an,
und wir glühen wie die Fahne,
dass ihr jeder folgen kann.“
Das war die Grundhaltung dieser Menschen. „Nun sind Gesichter unsere Fahnen; und Liebe unser Schaft“
Oft kommen sie km weit durch Regen und Wetter zu Fuß oder mit dem Rad, aber sie kommen und sie wussten warum. Wie ist doch oft die Haltung der Kath. in kath. Gegenden demgegenüber
so träge und gemütlich, bezw. spießerhaft. Nun kam ich von Lüneburg aus für 3 Wochen nach Halle. Auch dort traf ich Gemeinschaft junger Kirche. Rudi wird Euch sicher schon davon geschrieben haben. Er erlebte ja dort den Bekenntnistag in diesem Jahr. Ich konnte nur an einem Samstag das Abendgebet mitsingen. Die Gemeinschaft ist nicht groß gewesen, gar nicht mit Kapitol zu vergleichen, aber die Kraft, die im Singen und Beten lag, war die gleiche. Am Sonntag danach war ich mit den Jungen raus. Es war ein feiner Tag, den wir im Gebiete(?) der Saale verlebten.
Dann kam meine Versetzung nach Welzow. Wieder einmal Heide, diesmal merkische Heide, wieder einmal Diaspora. Auch hier fand ich einen feinen Kreis junger Kirche in Form eines Soldatenkreises und eines Gemeinschaftskreises der Soldaten und der Pfarrjugend. Auch hier ist Christus lebendig. Im Gemeinschaftskreis beenden wir die Woche und bereiten uns auf den Sonntag, auf das Gemeinschaftsopfer vor.
Am vergangenen Samstag hielten wir eine Marienfeierstunde zur Vorbereitung auf das Fest Maria-Geb., das ja am Sonntag gefeiert wurde. Es war eine feine Stunde des inneren Erlebnisses unserer Gemeinschaft, in deren Mittelpunkt Maria, die Mutter stand. Wir beschlossen den Abend mit dem gemeinsamen Abendgebet. Sonntag morgen trafen wir uns zum gemeinsamen Morgengebet. Im Halbkreis standen wir um den Altar. Fest und stark klangen die Worte der Lesung „dem ewigen König, dem unsterblichen, unsichtbaren, alleinigen Gott sei Preis und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Anschließend feierten wir gemeinsam das Opfer des Herrn. Wir sangen die Leipziger Gemeinschaftsmesse auf deutsch. Seht sie Euch doch mal an, sie ist schwer in Ordnung. Am Abend trafen wir uns zur Marienfeierstunde junger Kirche. Sie wurde zum frohen Bekenntnis zu Christus und Dank an Maria die Mutter. So halten wir es jede Woche. Im Soldatenkreis sind alles alte Sturmschieder und NDer. Alles prima Kerle. In unserem Kreis
erklingen wieder die Lieder alter Tage. Die Klampfe summt leise ihre Melodie dazu. Es sind feine Stunden, die wir zusammen erleben.
Es ist etwas großes um unsere Gemeinschaft, gleich, wo wir hin kommen, überall steht unsere Gemeinschaft, nie sind wir allein. Diesen großen Wert erkennt man erst hier draußen.
Aber nicht nur Kerle trifft man hier draussen. Viel öfter trifft man Säcke, Hampelmänner, die nicht von ihrer Ritterweihe und ihrer Ritterpflicht, die sie bei der Führung empfingen wissen. Die aus Furcht, Feigheit, Trägheit und Gemütlichkeit nicht mehr in der Gemeinschaft junger Kirche (standen) stehen. Die nicht den Mut haben vor Vorgesetzten und Kameraden sich zu Christus zu bekennen. So sind manche Kerle dabei, die einst in unserer Gemeinschaft standen, aber nie den Wert derselben erkannten, die nie Christus erkannt haben.
Das ist unsere Aufgabe, deutscher Jugend
Christus zu zeigen. Christus wieder in die Jugend unseres Vaterlandes zu tragen. Nietzsche sagte einmal: „Die Zeit fordert von uns Gehorsam gegen das Gebot der Stunde und Treue in den großen und kleinen Dingen des Alltags“. Dieses Wort gilt in seiner ganzen Größe auch für uns. Wir können nicht durch Worte Christus in die Jugend tragen, wir müssen Christus in die Jugend tragen, indem wir ihn vorleben. Jeder muß uns anmerken in unserer ganzen Haltung, besonders den kleinen Dingen des Alltags gegenüber, daß wir von Christus durchdrungen sind, daß Christentum mehr ist als Kriechertum und Frömmelei. Nur so können wir junge Menschen für Christus gewinnen.
Die Voraussetzung dazu aber ist, daß wir selber Christus ganz erkannt haben, daß wir in Gemeinschaft mit ihm leben. Am feinsten können wir das in unserer Gemeinschaft. Sie muß Lebens-, Arbeits-
und Kampfgemeinschaft sein. Lebensgemeinschaft, wie ich sie zu Anfang schilderte. Arbeitsgemeinschaft in unseren Abenden, in denen wir Christus und sein Vermächtnis in seiner ganzen Größe erkennen wollen. (Lebensgemeinschaft) Kampfgemeinschaft in dem wir für sein Reich und seine Gemeinschaft in der Jugend arbeiten. Darum möchte ich Euch heute noch einmal sagen, arbeitet als Gemeinschaft zusammen, damit auch in unserer Pfarre eine feste Lebens-, Arbeits- und Kampfgemeinschaft besteht.
„Laßt Euch nicht irren! Seht Euch nicht um!
Laßt springen die Klingen und schwirren.
Die Vielen sind feige, die Vielen sind dumm
Ihr Weg ist gewunden, ihr Rückgrat ist krumm
Laßt Ihr Geschrei Euch nicht irren.
Laßt Euch nicht irren! Wies heult und wies droht
Voran nun u. schweigt von Praktieren!
Voran nun ins glimmende Morgenrot!
Und besser ein aufrechter Mannestod,
Als ein Leben auf allen Vieren!“
(Altes Soldatenl.)
Euch allen nun Frohgruß und Heil
Otto
Sehr geehrter Herr Kaplan!
Für Ihren Brief meinen Dank. Vorausgehend habe ich ihn ausführlich beantwortet. Der Brief der Jungen war in Ordnung. Lesen sie meinen Brief bitte den Jungen vor. Vielleicht sagen Sie ihnen auch noch etwas dazu von der Gemeinschaft und der Diaspora.
Ihnen nochmals frohen Gruß
Otto
Fu.Mn. 4.B A K. Welzow/Niederlausitz Fliegerhorst