Hans Eiermann an Kaplan Stiesch, 14. September 1942

Kriegslazarett, den 14.9.42

Hochwürden!

Zuvor Ihnen einen frohen Gruß.

Schon lange schulde ich Ihnen eine Antwort, auf den Brief mußte ich Ihnen doch einmal ant-worten.

Wie Sie von meiner Mutter wohl schon gehört haben werden, bin ich seit einem Monat ver-wundet. Zum Glück hab’ ich im Rücken, auf den Schultern, im Gesäß u. Oberschenkel nur Fleischwunden, von denen der größte Teil schon verheilt sind. Nur mein linker Ellenbogen hat den Ärzten hier schon Kummer gemacht. Zu handwerklichen Dingen wird

der Arm später nicht zu gebrauchen sein. Steif wird er nicht werden, ich werde ihn wohl später bis zu einem gewissen Grad bewegen können. Er hält mich auch noch längere Zeit unter Fieber, sodaß ich nicht transportfähig bin.

Nun genug von mir und zu Ihrem Brief. Ich erhielt ihn einige Tage vor meiner Verwundung. Ich hatte an diesem Tage eine Freude, die kaum zu beschreiben ist. Wieder einmal etwas kulturelles Leben zu hören (entschuldigen Sie den Ausdruck kulturell) man versumpft völlig vorne in den Erdlöchern, man hat ja nichts was den Geist irgendwie beschäftigen kann. Ein-mal war ich verschüttet und da ist mir mein „Flammendes Wort“ und sämtlicher Lesestoff verloren gegangen.

Nun, ich hörte eine Hausmusik wie

Sie sie schilderten. Wie Sie mit Josef Müller zusammen gespielt. Es klang in meinen Ohren, trotz feindlichem Beschuß, erlebte ich da einen Augen-blick, wie nie zuvor.

Hier im Kriegslazarett finde ich nun vieles wieder. Musik, Bücher, Gedichte. Dies steht uns hier zur Verfügung.

Ich muß nun schließen, die Hände wollen nicht mehr richtig. Entschuldigen Sie meine Schrift u. das viele Gekratze. Es grüßt Sie nochmals froh

Ihr Hans Eiermann.

Grüßen Sie ebenso die Kameraden.