Josef Meurer an Kaplan Stiesch, 14. September 1942

Wien am 14.9.42

Lieber Herr Kaplan!

Sie haben dieses Mal ja lange auf ein Zeichen von mir warten müssen. Das ich in Wien bin, werden Sie ja schon wissen. Bin am 19.8. plötzlich von Griechenland nach hier kommandiert worden um einen vierteljähr’lichen Kursus als Büroschreiber mitzumachen. Ja Sie lachen, das kann ich mir denken.

Wo meine Finger jetzt hindrücken da gibt’s kein Ton mehr, sondern ein Buchstabe. Aber es macht mir Spaß. Dazu haben wir viel freie Zeit. Und das Wetter ist auch herrlich.

Ein großer Teil der Sehenswürdigkeiten habe ich mir auch bereits angesehen. Die Kirchen & Museen habe ich fasst alle abgeklopt. War auch an den Gräbern unserer großen klassischen Musiker. Samstag war ich in Heiligenstadt, wo Beethoven gelebt hat, ein großer Teil seiner Werke sind dort entstanden. Es ist für mich natürlich alles sehr interessant und erlebnisreich. In diesem Monat beginnt auch der Theater- und Konzertwinter. Es ist schon manches Interessante angekündigt. Ich werde mir

nach langer Zeit wieder mal eine gute Musik anhören. Die Staatsoper und das Burgtheater werde ich auch mal besuchen. Es ist doch schon was besonderes und da muß man die Gelegenheit wahrnehmen.

Für Ihren Brief, sowie für die Zeitungsausschnitte herzlichen Dank. Daß Schörler auch unter den Waffen stand, wusste ich noch nicht.

Es ist ja nett, daß Sie mit Josef Müller etwas musizieren, da könnt Ihr mir im Urlaub wohl mal ein Stückchen vorspielen. Ich habe ihm auch eine Karte geschickt, da wird er sich sicher freuen. Meine Familie ist noch

in Attendorn. Ist die Zeit wenigstens mal von Fliegeralarm verschont.

Frohe Grüße, auch an Ihre lieben Eltern

       Ihr J. Meurer