Kaplan Stiesch an Wilhelm Rosenbaum, 16. September 1942

16. September 42

Lieber Willi Rosenbaum!

Über Deinen Gruss habe ich mich sehr gefreut und den andern schon erzählt, dasz Du geschrieben hast. Hoffentlich schreibst Du jetzt mal öfter. Ich hatte Dir ja auch schon geschrieben, aber noch nie eine Antwort bekommen. Hoffentlich bist Du bald wieder geheilt von all Deinen Krankheiten! Ich hatte im Frühjahr dieses Jahres auch Diphtherie und musste 14 Tage im Krankenhaus liegen. Mir haben diese Tage gut gefallen, so als wenn ich Ferien hätte. Ich hatte mal gar keine Sorgen und bekam gutes Essen und hatte viel Zeit um zu lesen und zu schlafen. In diesen Tagen habe ich mal tüchtig Romane gelesen, sonst hat man ja doch keine Gelegenheit dazu. Ich schicke Dir ein Reclamheftchen mit. Lies es mal und wenn Du es aus hast, schick es bitte um, dann schicke ich es an einen andern Soldaten weiter. Dh wenn Du es wegen der Ansteckungsgefahr nicht umschicken darfst, ist es auch nicht schlimm. Ich schicke an alle solche Heftchen und von hier aus leite ich sie dann an die Kameraden weiter.

Mit Fliegern hatten wir ja viel zu tun. Hier hat es Gott sei Dank noch einigermassen gut gegangen. Die Kirche ist noch unversehrt. Aber von der Rochuskirche ist das Dach abgebrannt. Und sicher 25 Kirchen in Köln sind mehr oder weniger zerstört. Es ist das ein trauriges Bild und Du wirst staunen, wen Du das wieder siehst.

In den Heimstunden sprechen wir schon seit mehrern Wochen von hl Paulus. Es ist das sehr interessant. Er hat ja sehr viel Spannendes auf seinen weiten Reisen durch die alte Welt erlebt. Und man kann die Auseinandersetzung des jungen Christen

mit den alten heidnischen Religionen und dem Judentum studieren. Und dann sprachen wir über die Geschichte der Mönche und der Orden und Klöster. Auch hier gab es sehr interessante Fragen zu erörtern. Und wie geht es Dir? Hast Du was schönes zu lesen? Und siehst Du schon mal ein Theaterstück von der Frontbühne oder einen schönen Film? Meist sind die Filme ja leider nicht sehr viel wert.

Gut gefallen hat mir der Emil Jannings wie er den Ohm Krüger spielt. Der Heinrich George in dem Film Heimat. Da sieht man auch ein Stück aus der Mathäuspassion mit der schönen Musik und eine Szene aus Gluck Orpheus und Eurydike.

Hast Du überhaupt Gelegenheit mal schöne Musik zu hören? Ich spiele jetzt öfter mit dem Josef Müller zusammen Stücke von Händel und Mozart für Violine und Klavier und das macht uns beiden sehr viel Freude.

Nun schreib bald mal wieder und sei herzlich gegrüsst

von Deinem