Kaplan Stiesch an Hans Werres, 1. Oktober 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
1. Oktob 1942
Lieber Hans!
Offenbar hast Du meinen Brief vom 16 Sept noch nicht bekommen, denn da sind einige Fragen beantwortet, nach denen Du am 25 Sept fragst. Wird wahrscheinlich durch den Wechsel der F Nr gekommen sein. Ich habe merkwürdigerweise den Brief aber auch nicht zurückbekommen, wie das sonst doch meist bei Adressenwechsel zu gehen pflegt. Ich war leider schon wieder krank. Hatt Mandelentzündung. Es scheint, dass der liebe Gott mich vor allzu grossem Aktivismus bewahren will. Ich mache immer wieder Pläne, die dann prompt durch die nächste Krankheit unmöglich werden.
Michael wurde in St Georg gefeiert. Kpl Frotz predigte. Ich war nicht da. Krank.
Heute abend hält Hans Dahm eine Michael Stunde für die jüngste Gruppe. Bin mal gespannt.
Christkönig soll im Dom gefeiert werden mit dem neuen Erzbischof. Missa de Angelis choraliter. Wir haben gestern schon zum ersten Mal geübt. Der Bischof will zur Jugend Kölns sprechen. Es mag wohl ein grosses Erlebnis werden.
Adresse: Fu Mundorf 4 B.A.k. Wetzow Niederlausitz Fliegerhorst. Er hat einen langen pro-grammatischen Brief an die Jungen geschrieben. Über Fritz Kreuser ist nichts näheres be-kannt geworden. Nur Gerüchte! Die sprossen mal wieder ungeheuer. Rudolf Silckeroth ist vor Stalingrad gefallen. Rip; Ich habe die Eltern besucht. Sie sind einigermassen gefasst. Hubert Niederwipper und Franz Karl Werner tun nicht mehr mit. Mit der Oberstufe habe ich eine Einführung in Goethes Fast begonnen. Bin mal gespannt, ob man das Interesse für solch einen schwierigen Stoff wach halten kann. Der Vorschlag kam von Heinz Leopold, der jetzt regelmässig mittut. Überhaupt die Obergruppe ist zur Zeit eine wahre Liebhaberei.
Nächsten Montag führe ich den Pauluszyklus zu Ende. Wenn Du mal das schöne Paulusbuch von Holzner zu lesen bekommst, tu es. Es lohnt sich. Für mich das schönste, was ich seit langer Zeit gelesen habe.
Hans Dahm hat jetzt die Unterstufe. Ich will jetzt strenger an den Diakonat festhalten. Alle 14 Tage. Hoffentlich schulen wir so einen grösseren Mitarbeiterstab heran.
Vater Geurtz ist gestorben. Er bekam einen Herzschlag und war in wenigen Tagen tot. Ich habe ihn sehr hoch geschätzt. Ein aufrechter durchaus rechtlicher Mann, vor dem man sich nur in Ehrfurcht neigen kann. R.i.p.
Pater Justus war gestern bei mir zu Gast. Du kennst ihn sicher noch von der religiösen Woche her. Er ist immer der selbe, der alles offen sagt, auch das, was andre kaum zu denken wagen. Sehr lustig und doch tief wie jeder der echten Humor hat.
Sei herzlich gegrüsst