Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 16. Oktober 1942

Holland, am 16.10.42.

Lieber Rudolf!

Von daheim erfuhr ich schon von Deiner Krankheit. Hoffentlich bist Du nun wieder ganz wohlauf. Das Wetter draußen ist ja nicht dazu angetan.

Schade, daß ich in diesem Jahr so wenig vom Michaelstag gehört habe. Von Köln, auch nicht von Angenendt, habe ich keinerlei Gruß oder Bericht von einer Feier bekommen. Den Tag selbst, der uns früher einer der schönsten in unserem Jungenleben war, sucht eich mir so recht und schlecht als möglich zu gestalten. Es fehlte die Gemeinschaft, die diesem Tag das Gepräge gab. Gestern bekam ich von einem Kameraden den Text einer Feierstunde aus Buer.

Gestern kam ein Brief unseres Erzbischofs zum Christkönigstag. Fein! Er spricht darin auch von seinen Fahrten von Stadt zu Stadt und daß er in diesem Sonntag des Christkönigsfestes eine Vollendung und Erfüllung all des Jubels sieht, der ihm in den vergangenen Wochen aus den Reihen junger Kirche entgegengeströmt. Wie ist die Teilnahme an den Proben gewesen. Könnte ich doch nur dabei sein. Doch bis dahin wird aus Urlaub wohl noch nichts werden. Na ja, warten lernt man ja beim Kommis. –

Nach dem, was Du über Hans Karl Werner schreibst, steht Hubert also auch wieder mehr oder weniger beiseite, denn so muß ich

das schon ansehen, wenn er es noch nicht einmal fertigbringt, Kerle, die auf ihn sehen, zur Mitarbeit zu bewegen.

Doch auch Hubert (Werner) wird ja in diesen Tagen der Gestellungsbefehl erreicht haben. Mit dem Weggehen auch seines Jahrganges gehen bald wohl auch die letzten Kerle, die altersmäßig überhaupt in der Lage dazu sind, anderen Jungen Führer zu sein. Der Krieg wird auch hier seine unheilvolle Wirkung haben.

Auf Deine Frage nach Prof. Vogels: Gestern, also nach ziemlich langer Zeit, bekam ich Antwort und war eigentlich ziemlich enttäuscht: ein kurzer Kartengruß.

Der Dienst wird in unserem täglichen Alltag bald eine Änderung erfahren, was er bringt ist ungewiß. Im Augenblick schenkt er mir viel Zeit zu eigener Arbeit. In den letzten Wochen habe ich die KG von Lortz durchgeackert. Jetzt habe ich im Augenblick eine „moderne“ deutsche Geschichte zwischen. Einfach toll!

Was gibt’s sonst zu Hause Neues?

Ich freue mich über jeden Gruß. Dir und allen Kameraden

   Heil und Gruß im Herrn  

Jochen