Kaplan Stiesch an Hans Werres, 22. Oktober 1942
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
22. Okt 42
Lieber Hans!
Für Deine Zusendungen sei herzlich bedankt. Anbei ein neues Heftchen. Hoffentlich habt Ihr es nicht in der Schule als Schullektüre besprochen. Fr K Werner und Hubert Niederw haben scheint es bei uns nicht das gefunden was sie suchten. Vielleicht ging es ihnen zu brav und bürgerlich zu. Sie sitzen jetzt öfter auf dem Rotdornplatz und singen alte und neue Lieder und dazu Schlager zur Laute. In ihrer Gesellschaft befinden sich einige Mädchen nach den Aussagen der Zeugen. Jeder macht scheint es einmal solche Krisen durch, der eine früher der andre später. – Rudolf Silckeroth hat keinen Totenzettel gehabt. Josef Kreuser war natürlich auch sehr erschüttert von dieser Todesnachricht. – Für den Rundbrief bin ich nicht so ganz zu überzeugen. Ich halte immer noch den Rundbrief für den Notbehelf und den persönlichen Brief für das Wertvollere. Und die Frage des Lesestoffes ist durch die Heftchen ergiebiger gelöst als durch die Briefe. Und zudem müsste er eben doch von einem der Jungen und nicht von mir gestaltet werden. Es ist aber keiner da der das geistig kann und die Zeit dazu hätte.
Die Gaben sind da. Was fehlt, kommt nicht mehr, Ihr bekommt dafür das Geld zurück. Die gesungene Komplet soll einer Vorbereitungsstunde vor dem Kommunionsonntag einen schöneren Inhalt geben. Kapitol kommt im[m]er nur für eine kleine Zahl in Frage und dazu im Winter noch weniger. Morgen abend wird die Speierer Domfestmesse zum ersten Mal ge-sungen. Die Adressen: Obergefr Michael Brahts 21 668 B – An Karl H Hodes 43 403 – Soldat Pehl Res Laz Altersheim Richenbach im Eulengebirge Schlesien – Hans Eiermann ist unterwegs,
Anschrift abwarten. – Watzlick hat einen guten Namen. Schön seine Kinderer-zählung: Erdmut. Die von Dir genannten Stellen sind symbolistisch zu deuten. Die ganzen Geschichten sind hintergründig. Es sollen nicht historische Tatsachen-Berichte sein sondern hinter der Erzählung steckt eine Idee wie die Überwindung des Heidentumes durch das Christentum: Rübezahls Reich ist zu Ende, die Herrschaft Christi bricht an. Diese Idee wird dann in einen mysteriösen Mantel gekleidet.
Die Idee S 54 dasz der Glaube sich im Werke offenbart ist grade nicht lutherische. Lutherisch heisst die Formel: Wir werden selig durch den Glauben allein ohne die Werke: sola fide!
Du sprichst von einem Rundbrief. Ich rate Dir nicht zu viel programmatische Rede sondern lieber nüchterner Erlebnisbericht von dem was Dich umgibt. Darin steckt durch das Medium der Person des Schreibers gesehen genug an Pädagogik für die Zuhörer unter der Jugend hier. Peter Pehl hat einen sehr guten Brief dieser Art geschrieben. Alles staunte und hörte mit grösster Andacht zu.
Sei herzlich gegrüsst