Kaplan Stiesch an Jochen Soddemann, 26. Oktober 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1    

26. Oktober 1942

Jochen!

Gestern war also die Christkönigfeier mit dem neuen Erzbischof. Es war schon imponierend. Und der Choral Missa VIII klappte. Ein gewaltiger Chor und doch wie e i n   Mann. Die Predigt des Bischofs klug und abwägend. Es kamen eigentlich alle Kölner Hl vor: Severin und Ursula, Gereon und die hl. Dreikönige usw. und ihre Beziehung zu Christkönig und uns. Und Christi Reich und die Mächte dieser Welt, die in ihrem Machtbereich unangetastet bleiben und doch auch wieder ihm dienen müssen. Die Beteiligung hatte ich noch grösser erwartet. Das Querschiff und das letzte Drittel der Seitenschiffe waren ziemlich leer. Es macht sich eben doch bemerkbar, daß so viele von uns an den Fronten stehen. Euch bei den Soldaten einen besonderen Gruß und Segen des Bischofs.

Bei uns hier hat Pater Breuning gepredigt mit Feuer und Begeisterung. Heute morgen in aller Herrgottsfrühe fuhr er wieder nach München Gladbach. Kennst Du ihn näher? Ich habe mal mit ihm länger korrespondiert. Er schrieb recht ausführlich. Man mrkte ihm seine Schulung in der philosophischen Disputation ordentlich an. Vorigen Freitag hat abends in der Gemeinschaftsmesse die Jugend die Speierer Domfestmesse gesungen. Es war ein ganz schöner Anfang. Sie wird jetzt wohl öfter gesungen werden können. (Eine Messe im Monat am Abend ist jetzt Jugendmesse). Als ich letzten Mittwoch auf dem Hauptbahnhof war, fuhr grade ein langer Zug mit Rekruten ab. Sie sangen Nun ade du mein lieb Heimatland. Man sah nachher viele weinende Mütter und bräute. Mathias Weiers, Hillen, Ibald, Vosen, Karl Michael Fritz sind nun auch Soldaten. So geht das unaufhörlich weiter. – Werner Vianden zeigte mir gestern einen Rundbrief, den er aufgesetzt hat und unter den

Soldaten zirkulieren lässt. Auch Werner Niederwipper schickt einen Brief rund. Eine ganz gute Idee.

Zu den Abenden der Obergruppe kommt jetzt fast immer ein Herr Mühlfahrt vom Akazienweg, der sehr lebendig über selbst erlebtes zu plaudern weiß und in sehr feiner Form dies religiös auswertet. Der Faustzyklus geht weiter. Nächsten Montag Herr Mühlfahrt: modernes Christentum. Hans Dahm über Gottes Ritterschaft. Kaussen über Jungenleben. 14tägig ist Diakonat und Singeabend.

Anbei etwas Lektüre. Bald darf man ja nur noch 20 Gr schicken. Die Bluncknovelle hat ja ein etwas gewagtes Thema. Ich habe sie vor Jahren einmal gelesen. Das Eggers Heftchen ist nicht leicht zu „widerlegen“. Es ist das einfach ein anderer Glaube. Aber doch erschütternd, wie offenkundig und unverbrämt er sich gegen die Bergpredigt wendet. Das ASTheft ist von Peter Pahl, der übrigens einen sehr schönen Bericht über die Verwundung an die Jungen geschrieben hat. Alle hörten mit wirklicher Anteilnahme zu. Karl Heinz Hodes wird durch Flöhe geplagt. Er ist in Serbien im RAD und kommt hoffentlich bald wieder.

Hubert Gülden ist am Kaukasus bei der Artillerie. Kürzlich litt er noch unter 55 Gr4ad Hitze und jetzt erleidet er schon schneidende Kälte. Und die Landschaft, die trostlose Steppe fällt ihm auf die Seele. Alles sei so tot unfreundlich und dreckig. Hans Werres bittet immer um einen Rundbrief nach Art seiner letzten Briefe. Ich kann da in der Sache wenig tun, meine aber ein persönlicher Brief sei immer vorzuziehen. Und Lesestoffe werden durch die Heftchen geboten. Was meinst Du dazu?

Sei herzlich und in alter Treue gegrüßt von Deinem