Hans Werres an Kaplan Stiesch, 29. Oktober 1942

Feldpostnr. 46 518
Soldat Hans Werres

O.U., den 29. Oktober 1942

Lieber Herr Kaplan!

In letzter Zeit muß ich des öfteren Wache schieben. So kann ich Ihnen Ihren Brief vom 22. schon beantworten. Ich danke für das neue Reclamheftchen; zwar habe ich das von Handel-M noch nicht zu Ende gelesen, aber ich habe ja noch Zeit genug damit.

Schade um solche Kerle wie Hubert und Franz Karl. Doch hoffen wir, dass es nur vorüber-gehender Art ist. Hubert hat mir die Fortführung des Sold. Rundbriefes zugesagt. Nur war er sich über die Art und Weise nicht im Klaren. Doch jetzt muß auch ich Ihren Ausführungen über den Rundbrief zustimmen. So, wie Sie es machen, ist es am besten. Jedoch könnten sich mit der Zeit einige der Jungen ihnen anschließen. Vielleicht bringt es dann einer der Jungführer fertig, eine kleine liturgische Abhandlung für die entsprechende Kirchenjahreszeit – November, Totenmonat; Advent; Weihnacht – zu schreiben im Anschluß an ein paar persönliche Worte. Ich kenne eine Reihe, die sich nach so etwas sehnen. W. Vianden, R. Conin + Josef Kreuser schrieben mir schon früher

etwas Derartiges. Natürlich nur Handschrift und persönlich an einen Einzelnen.

Was ist denn an Gaben für mich da? Können Sie mir die kleineren eventuell zuschicken? Bis zum 10.11. geht’s ohne Zulass. Marken. Die größeren lasse ich mir dann per Kilopaket schi-cken.

Merkwürdig, ich habe in letzter Zeit des öfteren mit Kameraden Gespräche über Religion geführt. Z. B. auf Wache, dann mit meinem Stubenkameraden. Da ist leider noch vieles un-klar geblieben. Kann man einem Andersgläubigen die Frage des Zölibats erklären? Wenn er z. B. den Einwand braucht: Heiraten + Kinderzeugen sei der natürliche Weg des Menschen, Zölibat ist wider die Natur! Zum Zweiten: Priester sind doch meist geistig und körperlich hochstehende Menschen; wirkt sich der Verlust solcher Werte nicht in Generationen aus? Zum Schaden eines Volkes?

Dann Patheismus: Gott = Natur; wie weise ich dagegen einen persönlichen Gott nach? Wie eine Seele?

Ist das alleinige Aufgabe der Kirche, die Menschen zu erziehen? Niemals! Das meinte einer; deshalb, so glaubte er, wären die Kirchen überflüssig, denn der Staat übernehme jetzt diese Aufgabe. Was aber ist die Hauptaufgabe? Den Menschen Klärung der großen Fragen zu geben: Woher, Wohin, Warum? … Oder noch mehr?

Sie sehen, das sind wichtige Fragen. Hoffentlich macht Ihnen die Beantwortung nichts aus, ich meine an Zeit + Papier!

Mit dem Brief an die Jungen der Heimat werde ich noch warten. Ihre Ansicht ist richtig; das verlangt Überlegung. Daß P. Pehl das fertigbrachte, setzt mich in Erstaunen.

Doch ich muß jetzt leider schon schließen. Grüßen Sie mir alle Kameraden

in Treue

Hans Werres

Was sagen Sie zu beiliegendem Brief v. Gülden? Glauben Sie aber ja nicht, dass ich mich geschlagen gebe. Denn die Gründe sind noch lange nicht alle stichhaltig. Ich habe ihm bis jetzt noch nicht geantwortet.

Idem ut supra