Kaplan Stiesch an Josef Rick, 31. Oktober 1942

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

31. Oktober 1942

am Vorabend des Allerheiligentages

Mein lieber und sehr verehrter Herr Rick!

Die Briefe der Soldaten sind für die Jungen der Pfarre und mich immer ein Erlebnis und ich danke herzlich für Ihre letzten Zeilen vom 25 Oktob. Ich habe Ihre Erlaubnis vorausgesetzt und einige Zeilen bei den Jungen vorgelesen: Ihre Beurteilung der Filme Rembrandt und Friedemann Bach und Ihre Zustimmung zu unserm Faustthema.

Im September war ich mal wieder einige Tage krank und habe in der zeit von Gertrud von Lefort die Magdeburgische Hochzeit gelesen. Ich hatte mehr den Eindruck des gedanklichen symbolischen Kunstwerkes als den des Vitalen oder episch erzählenden Tröstlich mag für manchen auch unserer Tage die These sein, dass derjenige, der das Reich rettet zugleich auch den Glauben rettet. So jedenfalls erfährt es dieser edle Magdeburger, der in dem Ge-wissenskonflikt steht, ob er mit dem Kaiser das Reich oder mit den Schweden die Glaubens-freiheit retten soll. – Merkwürdig ist ja die Resonanz, die G v Lefort in der besten Jugend findet. Ich las mal darüber sehr interessant im Hochland von Theoderich Kampmann: Die katholische Gegenwartsjugend hat mit bemerkenswerter Einmütigkeit in Gertrud von le Fort ihre Dichterin erkannt. 33 I S. 45. ich will Ihnen den Band gern einmal leihen, wenn es Sie interessiert. Anbei ein Reclamheftchen für eine Mussestunde (?). Ich habe eine ganze Menge angeschafft, die wir jetzt unter den Soldaten zirkulieren lassen. Mancher hat sich schon sehr darüber gefreut. Nur darf ich um gelegentliche Rücksendung bitten, damit es dann weiter laufen kann. Ich hoffe, dasz Ihnen die Methode auch zusagt.

Der Christkönigtag im Dom war schon imponierend. Die Jugend sang die Missa de Angelis. Der neue Erzbischof selbst hielt die Predigt. Und wunderbar dieser grosse Chor all der hellen Stimmen, die

da im Dom erschallten. Der Soldaten gedachte der Bischof besonders ein-dringlich. Die Vorbereitung hat manchen Jungen zum ersten Mal an den lateinischen Choral herangeführt. Und das mag für den einen oder andern auch die Erkenntnis eines grossen Glaubensgutes und Kulturwertes bedeuten. Ich selbst bin leider immer mehr von der Welt der Wiener Klassiker angezogen worden und habe dafür von einem Laacher Pater schon einmal ernsthafte Vorwürfe bekommen. Ich finde, dasz die Musik Mozarts zB für fast jeden eine einfach unwiderstehliche Gewalt besitzt, einen Zauber, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Und eine Mozartmesse wirkt ganz eigenartig bestrickend, wie ich das oft in Kaiserswerth erlebt habe, wo ich früher Kaplan war. An der Echtheit der Religiösität des Mo-zartschen Geistes ist gewiss nicht mehr zu zweifeln, seitdem J Schmidt so überzeugend über das katholische bei Mozart geschrieben hat. Ich vergesse nie die eine These die ungefähr so lautet: Selbst die Zauberflöte (die doch der Freimaurerei zu huldigen scheint) ist noch echter katholisch als der Parsifal von Wagner (der doch so christlich tut).

Was Sie da schreiben vom rechten Ton in dem der Soldat angesprochen werden müsse, ist ein Problem, mit wir eigentlich in jeder Predigt zu ringen haben. Es ist unglaublich schwer, das alte Wahre in einer solchen Sprache zu sagen, dasz die Leute sich angesprochen fühlen, dafür interessiert sind und sogar praktisch Konsequenzen daraus ziehen. Das ganze soll ja leicht eingehen, ohne an Tiefe zu verlieren. Am glücklichsten hat da vielleicht in letzter Zeit der Pfarrer Jakobs gesprochen, der an die alltäglichsten Dinge anknüpft und doch etwas Ungewöhnliches zu sagen hatte.

Nun seien Sie herzlich gegrüsst von Ihrem