Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 12. November 1942
Holland, am Feste des Erzengels 1942.
Rudolf! Gruß Dir und allen Kameraden!
Am Festtag junger Kirche sind meine Gedanken bei Euch, im Reich junger Kirche. Wie werdet Ihr Daheim diesen Tag feiern? Schade, daß aus meinem Urlaub nichts geworden ist. Sicherlich haben die Wenigen, die noch Daheim sind und mitarbeiten, alle Hände voll Arbeit. Du schreibst in Deinem letzten Brief – hab herzlichen Dank – daß Euch so langsam die Junghelfer fehlen. Das muß unsere größte Sorge sein. Schade, daß ich mit den Kerlen, die jetzt noch da
sind, keine Fühlung bekommen kann. Ich habe doch nun alles Mögliche versucht. Warum hat Franz Karl Werner Schluß gemacht? –
Das Heftchen, das Du mir beigelegt, hat mir recht gut gefallen. Den „Plato“ liest im Augenblick noch einer meiner Kameraden. Wir haben eine recht angeregte Unterhaltung im Zusammenhang von Nietzsches: „Zarathustra“ gehabt. Sprachen von Gedanken, die unsere Zeit neu aufgenommen: „Vom absoluten Mensch, der autonom sein Leben gestaltet“.
Ich freue mich auf Platons „Symposion“. Gib den Anderen mit den Heftchen meinen herzlichen Gruß. Seit wann ist Rudi aus
Dresden weg? Wo stecken denn Peter Pahl und Hans Eiermann? Auch von Werner N. habe ich seit langem nichts mehr gehört.
Am Samstag haben wir einen wüsten Gepäckmarsch gemacht? Zu 22 Mann sind wir mit 40 kg Gepäck gestartet, 11 Mann kamen nach den 30 km durchs Ziel. Ich habe großem Freude gehabt, daß ich dabei sein konnte, wenn ich auch jetzt ordentlich durch die Gegend humpele. Der Dienst im Ersatzhaufen trägt immer die Gefahr des Müde- und Bequemwerdens in sich. Hier fand ich seit langem wieder einmal eine Gelegenheit, mich körperlich ganz einzusetzen.