Rundbrief von Otto Mundorf , 18. November 1942

18.11.42

„Christus schont seine Soldaten nicht,
hat er doch zuerst gekämpft und gesiegt.“

Kameraden! Heil und Gruß Euch!

Heute will ich mich wieder einmal in einem längeren Schrieb an Euch richten. Ihr werdet mich nun fragen, warum beginnst Du Deinen Brief mit diesem Spruch.

Am vergangenen Sonntag ging ich hier lange durch den Wald, ganz mit meinen Gedanken allein, betrachtete ich die Blätter der Bäume, die welk geworden vom Baum zum Boden fielen, um dort zu verfaulen, betrachtete die Sträucher, die ihr Grün verloren hatten und kahl dort standen. Man sieht, daß ein allgemeines Absterben in der Natur ist. Die Äcker liegen brach und eine Reihe Tiere legen sich zum Winterschlaf.

Wir stehen im November; der November ist der Monat, in dem sich dieser Vorgang Jahr für Jahr wiederholt, das große Sterben in der Natur. Es ist so, mit dem November beginnt eine ruhigere Zeit, auch für uns. Eine Zeit der Besinnung.

Zu dieser Zeit der Besinnung liegt das Gedenken an die Toten. Allerseelen liegt hinter uns, die meisten von Euch waren draussen an den Totenkugeln, unter denen ein Freund oder Verwandter liegt. Wieviele aber konnten an diesem Tage nicht zu ihrem Vater, ihrem Bruder, Kameraden oder Freund. Wieviele konnten nur seiner im Gebet gedenken, weil sie fern der Heimat, in fremder Erde, in fremden Landen, ruhen.

Allerseelen ist somit das Heldengedächtnis der Stille geworden. Der Soldatentod ist ein besonderer Tod, und wir gedenken derer, die ihn starben, besonders, denn sie opferten sich für andere, für uns, in einer entschlossenen, wenn auch schweren Hingabe für ein höheres Ziel, sind diese Helden Christus ähnlich geworden.

Wieviele mögen es sein die kämpfend zum Sterben kamen, ohne daß

man weiß, wo ihre Leiber ruhen? Sie sind draussen Namenlose, aber in unseren Herzen muß ihre Tat, ihr Opfer, ihr Heldentum wach sein. Ihr Vorbild muß vor unserem geistigen Auge stehen, leuchtend und mahnend zugleich muß uns Ansporn sein zu unserem Einsatz.

Kameraden, wieder steht das Wort Einsatz vor uns. Man könnte mir sagen, dieses Wort gehört zum Soldaten. Ja, es gehört zum Soldaten, und wir zu ihm. Es gehört noch ein Wort dazu, bedingungslos, bedingungsloser Einsatz seiner Person für die Sache, der er dient. Das ist die Grundhaltung des Soldaten.

Nun wollen wir uns aber einmal fragen, wer ist Soldat, natürlich der, der die Uniform trägt. Gut, der der die Uniform trägt, führt auch den Namen, aber meine Frage bezieht sich nicht auf den Namen, sondern auf die Haltung und auch nicht auf die äußere, sondern auf die innere. Legen wir uns jeder einmal für sich diese innere Haltung fest, was dazu gehört, wie sie sein muß, dann wollen wir uns fragen, ist das meine eigene Haltung, oder was fehlt mir dazu noch. Ja, wir alle, ein jeder von uns muß diese soldatische Haltung haben, denn wir alle sind Soldaten, Soldaten des größten Königs, wir sind noch mehr, in der Firmung werden wir zu Rittern geschlagen, zu Rittern, Adelige seines Reiches.

Dieser großen Ehre müssen wir uns bewusst sein, aber nicht nur der Ehre, sondern auch der Pflicht, der Aufgabe, die uns daraus erwachsen ist.

Am Schluß jeder hl. Messe ruft der Priester sie uns zu: Gehet in Eure Sendung. Unsere Sendung aber ist es, Christus, den wir im Opfer erleben, draussen zu leben, unseren Mitmenschen vorzuleben, für ihn zu stehen, wo es zu stehen gilt und endlich Christus wieder in unser Volk, in unsere Jugend zu tragen, damit Christus wieder in der Jugend unseres Volkes lebt.

Die Aufgabe ist groß und schwer, und nur der, der seine Sendung

ernst nimmt, der um ihre Größe weiß und zuletzt die Bereitschaft und die Haltung des Soldaten hat, von der ich sprach, und die uns unsere Kameraden vorlebten und starben, kann sie lösen. Als Grundlage dieser Arbeit haben wir die Gemeinschaft, deren großen Wert ihr erst erfahrt, wenn ihr einmal draussen seid. An der Gemeinschaft der Kameraden, die in Christus begründet liegt, holen wir uns die Kraft zu unserer Aufgabe.

Unsere Aufgabe aber ist es, wo wir gerade stehen, im Beruf, in der Schule, unter unseren Kameraden.

Das ist es, was ich Euch im Totenmonat sagen wollte, denkt einmal darüber nach und schreibt mir einmal Eure Gedanken.

Euch allen Heil und Frohgruß               Otto

 

Sehr geehrter Herr Kaplan!

Obigen Schrieb an die Jungen bitte ich Sie, im Heimabend vorzulesen. Lieber wäre es mir ja, wenn ich mit jedem einzelnen im Schriftverkehr stehen könnte, aber dazu fehlt mir die Zeit. So muß es eben so gehen. Ich bin inzw. In Halle gelandet. Ja, als Soldat wechselt man öfter seinen Standort. Aber es ist ja gleich, denn auch hier ist eine feine Gemeinschaft junger Kirche und ein feiner Soldatenkreis.

Nun wird es Zeit, dass ich schließe. Ihnen nochmals Frohgruß

Otto

Meine Anschrift

Gefr. H. Mundorf
10. B A K der L N S
Halle/Saale 11  
J. Lehrgruppe.