Kaplan Stiesch an Hans Meiers, 8. August 1942

11. August 1942

Hans!

Zunächst die Chronik der letzten Woche. Sonntag war ich in Düsseldorf zur Taufe eines Neffen. Am Bahnhof sah man schon ziemlich umfangreiche Zerstörungen. Dann ein mächtiger Sturm, der allen Bauschutt und Staub aufwirbelte, so daß alles verfinstert wurde. Es war ordentlich unheimlich. – Und dann die Taufe war schön. Drei Kinder wurden zugleich getauft. Es war ein wirklicher Gottesdienst. Leider ist die Spendung der Taufe heute immer noch gewöhnlich viel zu wenig feierlich und zu wenig beachtet. Es ist ja doch ein entscheidender Vorgang.

Erfreulich war auch die Beteiligung der Jungen bei der letzten Gemeinschaftskommunion und er Vorbereitung darauf. Ich bin einmal rundgegangen und habe tüchtig dafür eingeladen. Es scheint, daß doch viele eines solchen Anstosses bedürfen um ihre Vergesslichkeit oder auch Interesselosigkeit zu überwinden. Auch freue ich mich sehr über das Interesse, daß die Jungen am hl Paulus zu gewinnen scheinen. Hier ist doch eine ganz grosse Gestalt des Glaubens und eine der ersten Quellen erschliesst sich.

Das Buch von Gottschling kenne ich nicht d h ich habe es nicht gelesen. Ich erinnere mich wohl, daß es bei seinem Erscheinen Aufsehen erregte. Doch wird man ein solches Buch sehr kritisch beurteilen müssen. In der Zeitschrift Schönere Zukunft vom 2 Juni 1935 steht eine Kritik des Buches von Momme Nissen, der sich ausführlich mit dem Buch auseinandersetzt. Der Verfasser des Buches sagt demnach selbst, daß er sich 1 ½ Jahr verstellt hat, um Erfahrungen zu sammeln. Das ist doch ein starkes Stück. Er hat als Mitglied des Ordens und zugleich als sein Feind gelebt. Er hat „nur gezwungen“ täglich kommuniziert uä.

Wer schon mit einer solchen Haltung an die Beurteilung einer Sache geht, von dem ist ein objektives dh sachlich richtiges Urteil nicht zu erwarten, sondern der Hass entstellt natürlich alles. Sogar die Protestanten, die doch Gegner des katholischen Ordensgedankens sind, wollen von Gottschling nichts wissen. zB die Deutsche Evangelische Korrespondenz schrieb: Daß Gottschling auch nicht im entferntesten den tieferen religiösen Sinn den geistesgeschichtlichen Werdegang und die symbolhafte Bedeutung weder des römischen Katholizismus überhaupt noch des kath Ordenslebens erfasst hat… die unerlässlichen Anforderungen wissenschaftlicher Zuverlässigkeit und literarischer Anständigkeit sind hier denn doch zu wenig erfüllt“. Also ich glaube, daß man einem solchen Buch doch wenig Wert beimessen darf. Ich würde zum Vergleich mal das Buch von Bogler lesen: Soldat und Mönch, wie ein von seinem Beruf überzeugter Mönch das Klosterleben sieht. Zuständig für die Beurteilung eines Gedankens sind schliesslich doch die Menschen die ihn leben.

Interessant ist, daß unabhängig von Dir grade am letzten Sonntag im Diakonatsabend der Wunsch laut wurde, daß wir uns bei der Glaubensstunde mit dem Ordensleben mal ausführlicher beschäftigen. – Wer einmal Maria Laach erlebt hat, der wird ja vor dem Ordensgedanken Respekt bekommen haben, sogar wenn er Protestant oder Mohammedaner ist. Etwas anderes ist die Frage, ob man selbst für einen solchen Lebensstil geschaffen wäre. Ich zb glaube das von mir nicht. Es gehört schon eine besondere seelische und gnadenhafte Veranlagung dazu, die dann aber auch vielfach ganz bedeutende Menschen hervorgebracht hat. Der obenerwähnte Momme Nissen ist ja auch ein bedeutender Mann: Der Freund des Julius Langbehn, des „Rembrandtdeutschen“: Ich weiss nicht ob du ihn kennst. Willi Stupp hat ja öfter aus ihm vorgelesen.

Vor dem Rembrandtfilm kann ich übrigens nur warnen. Für meine Begriffe des grossen Malers unwürdig. Stets in Treue

     Bin ich Dein