Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 20. Januar 1943

Holland, am Festtag des Heiligen Offiziers Sebastian 43.

Grüß Gott!

Es ist eigenartig, daß gerade diese Tage, in denen wir das Fest dieses, uns jungen Menschen so lieben, Heiligen, des Soldaten feiern, auch für mich Entscheidung bedeuten in meinem kommenden Soldatenleben. Mit einer Reihe von Kameraden hat unser Komp.-Chef uns als Kriegsoffz.anwärter vorgeschlagen. Zwar haben wir schon des öfteren davon gesprochen, daß ein Führerbefehl besteht der dies unmöglich macht, es konnte also kein Versehen vorliegen. Noch nie hat der Chef mich irgendwie wegen meines Studiums angegriffen, und trotzdem nehme ich an, daß er darin eine Unmöglichkeit sieht,

mich von meinem Vorhaben abzubringen. Deshalb bedeutete die ganze Sache für mich schon eine Entscheidung. Gestern meldete ich mich daher zum Rapport und legte ihm klar und unmissverständlich auseinander, daß eine Verleugnung meines Studiums und Zieles um das Offz.-werden willen für mich nie in Frage kommt. Außerdem nannte ich ihm meine Bedenken, daß ich jetzt sämtliche üblichen Lehrgänge mache und am Ende dann doch nicht zur Kriegsschule komme. Er wusste sämtliche Bedenken zu zerstreuen. Jetzt bleibt mir also nichts anderes, als mich in den kommenden Monaten wüst auf die Hinterbeine zu setzen und zu arbeiten. Vielleicht geht’s in den nächsten Tagen schon los: Unteroffz.-Lehrgang. Da wird man uns wieder einmal nach alter preußischer

Methode jung und munter machen. Na, das schadet auch nichts, wenn der „Bruder Leib“, der bei unserem Leben hier müde zu werden droht, wieder einmal in harte Zucht genommen wird. -

Da musste ich Dir zuerst einmal erzählen, und darüber habe ich bald den Dank für das erste Lebenßeichen nach genau einem Monat vergessen. Hab also herzlichen Dank, ich war doch froh, daß Du mir nicht böse bist, oder warst Du es doch ein wenig? Na, nun ist’s ja vorbei. – Deine Erfahrung betreffs des Singens habe auch in den Vorbereitungen zur Weihnachtsfeier gemacht, haben da ja sogar mehrstimmig gesungen.

Und nun noch etwas, was mir eine große Freude geschenkt hat: Am vergangenen Donnerstag saßen wir mit dem …Pfr. Und 13 jungen

Kerlen unserer Einheiten zusammen. Es stand zuerst eine Fremdheit zwischen uns, die sich aber mehr und mehr bei jedem Lied und Wort löste. Der Pfarrer sprach mit Hinblick auf Dreikönigen vom „Gottsuchen“, von Augustinus, von Nietzsche. Im Ganzen vielleicht etwas zu hoch, man spürt halt doch den alten ….dienst heraus. Beim Rundgespräch am Ende kamen wir von selbst auf das Planen für die nächsten Abende, die nun regelmäßig jede Woche steigen sollen. Wir wollen am kommenden Donnerstag vom „Beten im Dienst“ sprechen und dabei irgendwie auf das Wesen des Gebetes überhaupt kommen. Ich freue mich darauf.

Und was treibt Ihr? Sag dem Günther K. doch bitte, daß ich auf seinen Gruß warte.

Gruß allen Jungen, auch Du sei herzlich gegrüßt

   Dein Jochen