Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 31. Januar 1943

O.u., den 31.1.43.

Hochwürden!

Ich muß mich heute gleich bedanken, denn Ihr Brief vom 30.12. blieb von mir auch noch unbeantwortet. Aber auch heute muß ich mich mit aller Gewalt hinsetzen und schreiben, denn sonst käme ich vielleicht noch lange nicht dazu. Es hat sich schon soviel Post angesammelt und ich weiß gar nicht mehr, wann ich die alle beantworten soll. Nachtschicht kann ich nicht einlegen, denn das besorgt der Russe und am Tage schläft man, soweit man nicht raus auf Posten muß.

Es ist ja dann fein, wenn man Post bekommt, wenn eben die Beantwortung nicht wäre.

Über Ihre Briefe habe ich mich sehr gefreut, denn auch die Kerle schrieben mir schon, dass es in der Arbeit vorangeht und die Zahl der Kerle immer noch steigt. Und was das für Sie, der Sie doch ohne Hilfe dastehn,

heißt, weiß ich auch und es ist mir auch klar, dass die Kerle daheim vorgehen und der Briefwechsel mit uns da etwas zurückstehen muß. Die Sorge um den Nachwuchs ist ja immer die wichtigste.

Und wenn man dann einen, wenn auch für’s erste nur kleinen Erfolg sieht, dann macht die Arbeit noch einmal soviel Spaß. Dann ist einem auch keine Arbeit zuviel.

Leider bringt aber jeder Brief immer wieder unerfreuliche Nachrichten mit. Alle Kerle stehen fast draußen, viele verwundet und gefallen und immer müssen wieder Jüngere raus ins Feld. Die Zeit im Augenblick ist hart, aber wir müssen sie überstehen mit Gottes Hilfe und Segen. Hoffen wollen wir und täglich wollen wir den Herrn darum bitten, dass alle Kerle, die jetzt draussenstehen oder noch rausmüssen, auch gesund zurückkomm-

men.

Und wir hier draussen in der Einsamkeit. Ja, ich kann Ihnen nur schreiben, dass ich diese Einsamkeit so ziemlich ertragen kann. Früher zogen wir ja raus aus der Stadt in die Stille der Wälder um einmal Ruhe um uns zu haben. Hier ist diese Ruhe zwar eine andere, aber wir wissen sie zu meistern. Die Kameraden hier um mich verzweifeln manchmal, denn sie können kaum leben ohne den Tanz in der Stadt. Sie sitzen da und schwitzen Trübsal unfähig auch nur etwas zu tun. Sie sind durch die Einsamkeit den geistigen Tod gestorben.

Den Mut und den Frohsinn verlieren, na, das gibt es bei mir nicht. Manchmal muß ich durch meinen Frohsinn die anderen hochreißen, wenn sie, wie besonders jetzt, da der Winter erst so recht beginnt, vollkommen mutlos sind. Es sind ja ein paar Ältere darunter, die nicht mehr gar so widerstandsfähig sind, wie wir Jüngeren, und da hilft der Humor immer ganz

tadellos.

Die Verbindung mit den Kameraden die ebenfalls draußenstehen, ist prima in Fluss und was das bedeutet, können Sie vielleicht ermessen. Da ist man immer wieder frohen Mutes, wenn man einen solchen Brief bekommen hat.

Hochwürden! Ich muß schließen, denn ich möchte noch einigen Kerlen schreiben, die schon wieder auf Post warten. Ihnen und allen Kerlen daheim einen Frohgruß im Herrn

Ihr Rudi