Hans Werres an Kaplan Stiesch, 1. Februar 1943
im Westen, den 1.2.1943
Carissime!
Ihr Heftchen und die Zeilen mit der Madonna erhalten. Danke Ihnen sehr dafür. Es muß noch liegenbleiben. Nur ab und zu lese ich einmal einen Abschnitt. Ich habe näml. Interessanteres augenblicklich. Das Bücherkaufen kann ich nun mal nicht sein lassen. Am Monatsende bin ich meistens blank. Ich habe mir Cyriel Verschaeve: Die altflämischen Meister und Lortz: die Reformation in Deutschland (zweibändig, 18,75!) gekauft. Ein Glück ist es, dass wir alles zu herabgesetzten Preisen erhalten. – Die Hirtennovelle hat mir gut gefallen. Doch hatte ich mir mehr versprochen.
Warum schreibt Mundorf mir nicht? Ich habe auf meinen Brief noch keine Antwort erhalten. Oder hat er eine neue Adresse? – Ja, wenn die rechte Hand nicht mehr will, kann man nicht mehr tasten; das weiß ich aus eigener Erfahr. Welches Tempo gibt u. hört er? –
Wer ist Pfr. Manstetten? Wie heißt die Buchhandlung im Hochhaus?
Können Sie mir etwas Näheres über Kpl. Estermann mit-
teilen?
Ob ich wieder Probleme habe, fragen Sie. Nur! Und eine ganze Menge. Nur lässt sich dar-über mündlich besser reden, was ich vorigen Sonntag besorgt habe. Ich war bei unserem Heerespfarrer.
Mit dem Kameraden, dem „Ehemaligen“, habe ich oft interessante Gespräche geführt. Gestern hat er mir seine Weltanschauung entwickelt. Es ist sehr schwer, mit ihm zu reden und gestern abend nach unserer Unterhaltung gab er sogar zu, dass ich ihn oft examiniere mit meinen Antworten. Doch immer wieder ist sein Hauptschlag in mein Gesicht: die Unnatur des Zölibat. Da gäbe es keine Entschuldigung für ihn! – Mit einem Unteroffz. hatte ich eine inter. Unterhaltung über Ehe u. Geschlechtsleben im Anschluß an Fotos aus Paris, die er mir zeigte. Jedoch habe ich dabei Manches nicht begriffen. Er suchte, das Geschlechtsleben vor und außerhalb der Ehe zu entschuldigen, wie es hier in Frankreich an der Tagesordnung ist. Darüber einmal mündlich Ausführliches.
Für heute genug. – Von den Kameraden hat mir bis jetzt noch keiner geschrieben. Oder soll ich den Anfang machen.
Heil
Hans