Konrad Friesenhahn an Familie Stiesch, 12. Februar 1943
Russland am 12.2.42
Meine Lieben!
Lange habe ich schweigen müssen, ich glaube zum letzten Mal war es um die Weihnachtszeit, dass ich Euch schrieb. Mit dem Beginn des neuen Jahres begann für uns der schmerzlichste Weg, den es für einen Soldaten geben kann, den Weg zurück.
Wenn ich auch diese Erscheinung im russischen Winterkrieg schon von dem Winter 41/42 kannte, so war dieser doch um manches tragischer. Damals ging es fast nur um die Preisgabe grosser Waldgebiete, heute war es das fruchtbare Gebiet des Südens mit seinem Weizen, dem Wein und Obst und der Baumwolle. Dazu kam eine Bevölkerung, die an uns hing und eifrig mitgearbeitet hatte. Sie alle wussten ja nur zu genau, was ihnen bei einer Rückkehr der Roten bevorstand. –
Vieles Neue habe ich festgehalten im Wort, ich habe an einem russisch-orthodoxen Gottesdienst teilgenommen und im Anschluss daran es gewagt, den Popen aufzusuchen und ihn um eine Ikone zu bitten. Beides wurde mit Erfolg gekrönt. Er hat mir manches klar zu machen versucht, in einem Brief bedankte ich mich für Alles.
Nun sind wir aus der Gefahr der Einkesselung ziemlich heraus, durch die Freigabe aller Magazine leben wir in Saus und Braus. Doch leidet die „Fresslust“ sehr unter dem Gedanken Eurer Entbehrung. Schade, dass sich da nichts machen lässt.
Schon immer gingen ja Gerüchte umher, dass wir als Tropenverband nach dem Misslingen des Vorhabens über Asien nach Afrika zu gelangen, dies tolle Land verlassen werden und auf einem kürzeren Weg zum schwarzen Erteil kommen sollen. Hoffentlich wird es wahr, ich kann es nicht müde werden neue Welten zu sehen.
Wie geht es nun Euch? In der Abgeschiedenheit dieser Postsperre, die dadurch zugleich eine Zeitungssperre ist, erfährt man ja nur Bruchstücke vom Weltgeschehen. Das mag in mancher Hinsicht gut sein, mich plagt nur besonders die Sorge um Euch als ständig aus der Luft bedrohte.
Hoffentlich erreicht Euch diese Nachricht, es ist ein Versuch auf schnellstem Wege über Umwege die Sperre zu „durchbrechen“.
In Liebe
Euer Konrad