Kaplan Stiesch an Hubert Zingsheim, 24. Februar 1943
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
24. Febr 43
Hubert!
Von Deinem Lehrgang hörte ich erst jetzt in Deinem Briefe. Also in neuen Methoden der Kriegsführung bist Du geschult worden! Hoffentlich führen sie das Ende des Krieges schneller herbei.
Zunächst die Chronik. Die Zahl der Jungen ist wieder dezimiert worden dadurch, dass einige der höheren Schüler nun zur Heimatflak als Helfer einberufen worden sind, so als Semi oder Quasisoldaten: zB Josef Müller, J Vossel, Wilbert, Hans Dahm usw. So musste unser schö-nes Musizieren plötzlich aufhören, und Hans Dahm fällt als Gruppenhelfer aus. Allmählig sind nur noch die grade aus der schule entlassenen Jahrgänge hier. Mein Bruder, der Kaplan in Düsseldorf Benrath ist, wird auch Sonntag als Sanitäter nach Soest ziehn müssen.
Der Vergleich mit den Regensburger Domspatzen ist rührend. Ich habe den Jungen übrigens gesagt, wen[n] sie es gut machten, machten wir demnächst auch eine Tournee nach Süd-amerika.
Otto Mundorf war in Urlaub. Ebenso Hans Eiermann, der den Arm noch in der Binde trägt. Es scheint, dass er aus unserem Kreis die schwerste Verwundung erlitten hat. Er ist jetzt in Vallendar bei Koblenz im Lazarett.
Heribert Faber hat einen sehr guten Abend gehalten, der uns in die Kunst Michelangelos einführte. Er verglich die 4 fache Darstellung der Eva in Gottes Schöpfermantel, bei der Erschaffung, dem Sündenfall und der Vertreibung. Die Änderung des seelischen und gnaden-haften Zustandes wird vom Künstler geistvoll sichtbar gemacht. An dem Abend waren Otto Mundorf und Ernst Jakobs in Uniform zugegen.
Auch der junge Helmuth Saure hat zwei gute Abende über Karl den Großen und Don Bosco gehalten. Aus Kindern werden Leute, die zu echter Mitarbeit zu gebrauchen sind.
Mehrmals waren schwere Angriffe, die auch ein Opfer aus der Pfarre forderten: Den Herrn Horstkemper gegenüber dem Westfriedhof. Schön das ewige Gebet mit einer sehr feinen Prozession. Die männliche Jugend hätte allerdings vertreten sein müssen. Jeden Dienstag abend ist jetzt Kriegsandacht, in die Du Dich auch im Geiste einschliessen kannst. Sie ist immer erfreulich und erstaunlich gut besucht. Kürzlich wurde in St Peter eine Messe von Haydn aufgeführt, wie alle Musik der Wiener Klassiker verführerisch schön, aber natürlich liturgisch nicht streng genug. Aber dem Zauber dieser Musik kann man schon erliegen, na-mentlich in ruhigeren Tagen des Friedens, jetzt kommt man schon immer in seelischer Unrast hin und wird das Gefühl nicht los, dass draussen in den Fronten Soldaten bluten, während man sich musikalischen Genüssen ergibt.
Bei allem hat man nur den einen Wunsch, dass uns bald ein dauerhafter Friede geschenkt werde und eine geistige Ruhe, in der kulturelle und seelische Werte mehr zu ihrem Recht kommen können, als das augenblicklich der Fall ist.
Sei in steter Herzlichkeit gegrüsst von Deinem
Wenn Du es für gut findest, könntest Du vielleicht diese Zeilen an Edmund weiter schicken? Ich habe lange nichts von ihm gehört und vielleicht interessiert ihn auch der eine oder andre Vorgang aus der Pfarre.