Kaplan Stiesch an Rudi Conin, 30.März 1943

Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg1  

30. März 1943

Rudi!

Gestern Abend habe ich Deinen lieben Brief den Jungen der Obergruppe vorgelesen und sie haben sehr aufmerksam zugehört. Er passte übrigens besonder gut zum Thema des Abends. Wir sprachen über die Erlösungsbedürftigkeit unserer Zeit. In allen Lebensäusserungen der Gegenwart spüren wir ihr Sehnen nach neuen Normen und Inhalten. Was immer man findet, zuletzt befriedigt es nicht. Unser Herz ist unruhig bis es ruht in Dir o Gott, sagt schon der hl. Augustinus im ersten Abschnitt seiner Bekenntnisse. Und dazu passte so schön Euer Sehnen nach Sonne un d Licht, wie Du es beschreibst. Licht ist ein so schönes Sinnbild der Wahrheit, um deren Besitz wir ringen. Und dann habe ich noch lange mit meinem Vetter Konrad geplaudert, der ganz unerwartet in Urlaub berkommen ist. Er hat Polen, Frankreich

und Russland mit gemacht in der vordersten Front. 1939 hatte er grade seine zwei Jahre Dienstzeit um. Vor Leningrad wurde er verwundet, kam dann in die Kalmückensteppe am Südabschnitt und soll jetzt nach Afrika. Er kann stundenlang die interessantesten Dinge erzählen zB von den russischen Gottesdiensten, die er mitgemacht hat. Er war auch beim russischen Bischof von Tangerog eingeladen und hat von ihm eine Ikone geschenkt bekommen mit seiner Widmung. Er schrieb ihm in russischer Sprache darauf: Du bist eine Rose unter den Deutschen Soldaten. Die Nacht haben wir nur 4 Stunden geschlafen. Bis 12 und von 4 Uhr an war Alarm.

Heute morgen waren Exequien für einen Neffen von dem Schuster Kurschildgen am Rosengarten. Von der Familie Orth ist eine Tochter gestorben, die Luzie. Diese Familie ist besonders schwer geprüft worden. Innerhalb von wenigen Jahren der 6. Sterbefall.

Hans Werres, Peter Haas, Hans Eiermann, Werner Schäfer, Hubert und Edmund Zingsheim waren bzw sind noch in urlaub. Das ist für uns immer besonders erfreulich, wenn dann die alten Kameraden wieder unter uns sitzen im Heim. Helmut Saure hat einen besonders gut vorbereiteten Abend über die Kreuzritter gehalten. Alfons Geurtz über Clemens Maria Hofbauer und Deutsche Dome, Adi Ubber einen Bauernabend, Michel Reinartz über Natur und Gott. Mein Bruder Hans ist auch inzwischen eingezogen worden und wird in Soest als Sanitäter ausgebildet. Er erzählte, der Unteroffizier komme abends immer und rohe, wenn etwas in Unordnng wäre dann könne er wild werden. Dann frage er immer „Haben Sie schon mal einen Löwen gesehen? (So wild könne er werden): Darauf sagte in Soldat: „Jawohl Herr Unteroffiziert, im Zirkus.“

Nun wünsche ich Dir schon ein gnadenreiches Osterfest, falls wir uns bis dahin nicht mehr schreiben sollten. Schade, dass Du nicht mitgehen kannst in die Mathäuspassion. Oder habt Ihr dort einen Radioapparat, dass Ihr sie wenigstens am Rundfunk hören könnt? Das wäre ja schön.

Herzlichen Grusz Dein