Rudolf Stiesch an Jochen Soddemann, 8. April 1943
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg
8. April 43
Jochen!
Gern folge ich Deiner Aufforderung und schreibe einige Zeilen Eurem Rundbrief und hoffe, daß ich einigermassen den rechten Ton treffe. – Da bist Du ja in eine gründlich neue Umgebung gestellt. Ich hoffe mit Dirk, daß sie Dir eine Bereicherung Deines Weltbildes gebe. Es entspricht das ja etwa der Situation des Quickborn, der anstelle der üblichen Absonderung der Geschlechter die kameradschaftliche Gemeinschaft setzte und damit wohl manches Gute erweckt hat. Ich habe in Kaiserswerth eine junge Familie kennen gelernt, die aus dem Quickborn hervorgegangen war und habe mich dort immer wohl gefühlt. Und Du hast schon recht, daß in der fast monastischen Erziehungsweise, die wir als Theologen durchlaufen, die Gefahr der Einseitigkeit und Weltfremdheit und Unbeholfenheit nahe liegt.
Die Zusammenarbeit ist vielleicht nicht immer nur angenehm. Als ich nach Soest fuhr, erzählte mir ein Soldat, der in der gleichen Situation stand, wie Du, es habe seine Schattenseiten.
Ich schätze Helmuth Saure auch sehr hoch ein. Er scheint mir schon rassisch hochwertig zu sein: Sauerländer, Westfale durch und durch. Und dazu auch gnadenhygienisch in Ordnung mit einem klaren Kopf. Nur natürlich etwas schwerfällig verschlossen wie alle Westfalen sind. Ich hatte immer schon vor, ihm aufzutragen, Dir einen Gruß zu schreiben und will ihm gleich mal Deine Feldpost nr geben. Günter Kaussen muss leider etwas aussetzen und sich ganz auf die Schularbeit stürzen. Das letzte Zeugnis war zu miserabel. Die Eltern können das Risiko nicht tragen, daß er evt kleben bleibt.
Am Sonntag hielt die Jugend der Stadt eine ausserordentlich feine Gedächtnisstunde für ihre Gefallenen in St. Paul. Psalmen, Lesung
Evangelium und Präfation der Totenmesse auf Deutsch. Dr. Frotz predigte. Lieder aus Kirchenlied. Zum Schluss eine Art Absolutio ad tumbam. Karl Heinz Hodes spielte die Orgel und zwar hervorragend gut. Ich glaube, der wird noch mal was besonderes. Familie Ley Breuning Kresner Boyen und Stupp habe ich aus Dreikönigen bemerkt. Letzten Montag waren Edmund und Hubert Zingsheim und Josef Bongartz unter uns beim Heimabend. Ich sprach von den sozialen Gestalten des vorigen Jahrhunderts: Leo XIII Ketteler und Kolping.
Sonst wüsste ich nichts Neues von Belang, das Dich interessiert. Komm bald in Urlaub. Diesen Sonntag wird mein Bruder hier erscheinen
In steter Treue und Herzlichkeit